Der Scheich
bahnte. Dann verlor sie kurz die Besinnung.
Als sie die Augen aufschlug, kniete der Vicomte neben dem Scheich. Ringsum standen seine Männer und warteten in stoischem Schweigen. Inzwischen waren die Feinde besiegt worden, und sie hatten nur Augen für ihren bewußtlosen Anführer.
Diana eilte zu Saint Hubert hinüber, der hastig aufblickte. «Alles in Ordnung?» fragte er besorgt, doch sie antwortete nicht. Was spielte ihr Befinden schon für eine Rolle?
«Wird er sterben?» flüsterte sie heiser. Beim Sprechen schmerzte ihre Kehle immer noch.
«Das weiß ich nicht. Wir müssen so schnell wie möglich von hier verschwinden, denn ich brauche Instrumente, die ich nicht bei mir habe. Außerdem könnten sich weitere Anhänger von Ibraheim Omair in der Nähe aufhalten und uns angreifen.»
Ängstlich betrachtete sie den Verwundeten. «Aber kann er denn reiten? Die Erschütterung ...»
«Dieses Wagnis müssen wir eingehen», erwiderte der Vicomte barsch.
Später erinnerte sich Diana nur noch undeutlich an den langen und beschwerlichen Rückweg zu Ahmed Ben Hassans Lager. Besorgt befürchtete sie, der bärenstarke Araber, der ihn festhielt, oder der Vicomte, der neben ihm ritt, könnte etwas sagen. Denn solange sie schwiegen, war ihr Geliebter noch am Leben. Doch die beiden Männer gaben kein Wort von sich, und Diana faßte für den Moment wieder Hoffnung.
Nur als der Trupp plötzlich anhielt, drohte ihr das Herz stehenzubleiben. Aber der Mann, der den schweren, schlaffen Körper des bewußtlosen Scheichs umklammerte, mußte sich nur ein wenig ausruhen. Obwohl er die Grenzen seiner Kraft erreichte, wollte er diese Ehre keinem anderen überlassen. Immer wieder drohte Diana in Ohnmacht zu fallen, und sie prallte gegen den Arm des Reiters an ihrer Seite. Als er «Allah!» flüsterte, schickte auch sie ein Stoßgebet zu ihrem eigenen Gott. Ahmed durfte nicht sterben! So grausam konnte der Allmächtige nicht sein!
Hin und wieder richtete Saint Hubert das Wort an sie, und seine sanfte Stimme beruhigte ihre Nerven. Während sie den Schauplatz des Hinterhalts passierten, erzählte er von der Begegnung mit Gaston. Hier wurden sie von einer Patrouille des Scheichs erwartet, denn der Vicomte hatte zwei Araber mit einer Nachricht ins Camp vorausgeschickt.
Der Morgen graute, als sie das Lager erreichten, und Diana sah ungewöhnlich stille Männer neben dem Hauptzelt stehen. Aber die Aufmerksamkeit galt nur der immer noch ohnmächtigen Gestalt, die vorsichtig vom schweißüberströmten Pferd gehoben wurde. Sie trugen ihn ins Zelt und betteten ihn auf den Diwan, wo Henri schon alles bereitgelegt hatte, was sein Herr brauchen würde.
Nur mühsam gelang es dem Vicomte, die Anhänger des Scheichs aus dem Zelt zu drängen. Diana stand neben dem Diwan und betrachtete den Geliebten. Durch die behelfsmäßigen Bandagen war das Blut gesickert, und der ganze Körper zeigte die Spuren des schrecklichen Kampfs. Diana griff nach der blutigen Hand, die über die Kante des Diwans hing. Als sie die kraftlosen Finger spürte, stieg ein Schluchzen in ihrer Kehle auf. Krampfhaft biß sie sich auf die Lippen, um ihr Zittern zu unterdrücken, und legte die Hand zurück auf die Kissen.
Mit hochgekrempelten Ärmeln, kam Saint Hubert näher. «Nun haben Sie genug ertragen, Diana. Ruhen Sie sich aus. Ich tue mein Bestes für Ahmed. Sobald ich fertig bin, gebe ich Ihnen Bescheid.»
Entschlossen schüttelte sie den Kopf. «Sparen Sie sich die Mühe, mich wegzuschicken, denn das ist sinnlos. Ich möchte Ihnen helfen. Wenn Sie mir nicht irgendeine Aufgabe zuteilen, verliere ich den Verstand. Sehen Sie! Meine Hände sind ganz ruhig!»
Widerspruchslos gab er nach. Die Schwäche, die sie am Vortag in seine Arme getrieben hatte, war der Angst um den Geliebten entsprungen. Doch angesichts der Gefahr ließ sie der Mut, der zu ihrem Wesen gehörte, nicht im Stich. In aller Eile begann der Vicomte zu arbeiten. Und Diana hielt tapfer durch. Ihr Gesicht war zwar leichenblaß, und unter ihren Augen lagen dunkle Schatten, aber ihre Hände bebten nicht. Ihre Stimme klang leise und gefaßt, obwohl sie Höllenqualen ausstand. Sie fühlte sich, als brenne die grausige Wunde, vom Messer des Nubiers verursacht, in ihrem eigenen Herzen. Und als Saint Hubert behutsam und geschickt den verletzten Kopf des Scheichs berührte, zuckte sie zusammen.
Nachdem Raoul sein Werk beendet hatte, wusch er sich die Hände, und Diana kniete neben Ahmed nieder. Würde er am Leben bleiben? Ihr Mut
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