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Der Scherbensammler

Der Scherbensammler

Titel: Der Scherbensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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tun. Imkes Reaktion auf Minas Verschwinden hatte ihn davon abgehalten. Sie würde Jette und Merle nur wieder in Gefahr sehen. Das konnte er ihr nicht antun.
    Als es klingelte, war er auf alles vorbereitet. Trotzdem erschreckte ihn Minas Anblick. Sie hatte abgenommen. Unter ihren Augen lagen Schatten. Ihr Haar war heller als sonst, als hätte sie jede Minute der vergangenen drei Wochen im Freien verbracht. Ihre Kleidung allerdings war sauber und gepflegt und passte nicht zu ihren Schuhen, die so zerfleddert waren, als besäße sie nur dieses eine Paar.
    Sie kam herein und beobachtete ängstlich, wie Merle nach ihr die Praxis betrat und Tilo die Tür schloss. Erst danach entspannte sie sich.
    »Mina«, sagte Tilo.
    Sie schenkte ihm ein halbherziges Lächeln. Wie erschöpft sie aussah.
    »Tee?«
    Beide Mädchen nickten. Tilo brachte den Tee ins Behandlungszimmer und schenkte ihnen ein. Der frische Duft von Orangenblüten stieg aus den Tassen auf. Mina nahm einen Schluck. Über den Rand ihrer Tasse hinweg schaute sie Tilo an. Was er in ihren Augen lesen konnte, stimmte ihn besorgt.
    »Gut, dass du zu mir gekommen bist«, sagte er. »Es tut mir leid, dass dein Vater …«
    Mina stellte die Tasse so heftig ab, dass der Tee überschwappte. Sie würgte, als müsse sie sich übergeben.
    »Sei ganz ruhig«, sagte er. »Lass dir Zeit. Atme in den Bauch.«
    Merle kroch tiefer in ihren Sessel. Als wollte sie darin verschwinden. Das hier war zu viel für sie. Tilo überlegte gerade, ob er sie nicht bitten sollte, nach Hause zu fahren, als Mina den Kopf hob. Sie brauchte ein paar Anläufe, bis sie reden konnte, doch das, was sie zu sagen hatte, sprach sie schließlich klar und deutlich aus.
    »Ich habe meinen Vater ermordet«, sagte sie.
     

Kapitel 7
    Merle saß in Jettes Renault, den Zündschlüssel in der Hand. Was sie eben gehört hatte, war ungeheuerlich. Der Tote aus der alten Fabrik war Minas Vater gewesen. Und Mina hatte zugegeben, ihn umgebracht zu haben.
    Das erklärte das Blut an ihrer Kleidung, den Schock, die Panik. Es erklärte eigentlich alles - bis auf diese sonderbaren Veränderungen, die sie an Mina beobachtet hatten.
    Mal war sie verwirrt und voller Angst und beinah stumm. Dann verwandelte sie sich in ein lispelndes, stammelndes Häuflein Elend mit dem Wortschatz eines kleinen Mädchens. Um gleich darauf eine überhebliche Schroffheit und Aggressivität zu demonstrieren. Mal hatte man den Wunsch, sie in die Arme zu schließen, ein andermal wurde einem kalt in ihrer Gegenwart.
    Der Fahrer eines blauen Lieferwagens, der auf Merles Parkplatz scharf war und anscheinend schon eine Weile neben ihr gewartet hatte, ließ das Seitenfenster herunter. »Wird das heute noch was?«
    Merle schüttelte müde den Kopf. Er tippte sich an die Stirn und schoss fluchend davon. Merle schaute ihm nach. Er hatte ja recht. Sie sollte den Motor starten und losfahren. Wieso fühlte sie sich plötzlich so schwer? Sie schaffte es nicht mal, die Hände ans Lenkrad zu legen.
    Sie hatte das Bedürfnis, Jette anzurufen, aber im Heim  wurde das nicht gern gesehen, und zu einer SMS konnte sie sich ebenso wenig aufraffen wie dazu, den Zündschlüssel ins Schloss zu stecken. Mühsam stieg sie aus. Sie würde ein paar Schritte laufen, um einen klaren Kopf zu bekommen, und dann weitersehen.
    Keine besonders feine Umgebung, in der Tilo seine Praxis hatte. Der vom starken Verkehr aufgewirbelte Staub hatte sich auf die Blätter der wenigen Bäume und Sträucher gelegt und auch die Fensterbänke der Häuser mit einem grauen Film überzogen. Es gab keine Geschäfte, nur eine Reinigung, eine Änderungsschneiderei und einen Kiosk.
    Die Häuser standen da wie vergessen, ohne sichtbare Spuren von Leben. Sie hatten drei, vier Stockwerke und die Fenster waren mit Gardinen verhängt. Hinter den Dächern ragten Hochhäuser auf, vier an der Zahl und alle im weiten Umkreis berüchtigt und gefürchtet für die Gewaltbereitschaft ihrer Bewohner.
    Lastwagen donnerten vorbei, Busse und ab und zu ein Traktor, einer von der großen, mächtigen Sorte, die im Dunkeln Ungeheuern ähneln. Ein schwarzes, aufgemotztes Cabrio mit offenem Verdeck hupte und drei junge Männer winkten Merle johlend zu. Inmitten dieser chaotischen Verhältnisse spielten Kinder am Straßenrand. Ein falscher Schritt und sie würden im Krankenhaus wieder aufwachen. Wenn überhaupt.
    Tilo hatte sich dieses Viertel bewusst ausgesucht. Er wollte nicht der Seelentröster für die Reichen sein. Er wollte

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