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Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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Stimmbändern brach vorübergehend ab. Die Anzeigen im Armaturenbrett des Pick-ups fingen an zu rappeln. Als der Drehknopf des Radios absprang und gegen meine Nase knallte, war Autry wenigstens so höflich zusammenzuzucken, anstatt zu lachen.
    Verlegenheit, Wut, Schmerz, Angst, Frust – meine Gefühle bildeten neuerdings meine höchsteigene Revolverhelden-Gang. Ich hielt mir die Nase an der Stelle zu, wo der Drehschalter sie getroffen hatte, atmete tief durch den Mund ein und blies die Luft langsam wieder heraus. Denn ich war wild entschlossen, mich zusammenzureißen.
    »Ich hab Sarah Janes Notizblock gefunden«, erklärte ich und gab mir alle Mühe, mit fester Stimme zu sprechen, während ich die halbe Wahrheit erzählte. Ich zog den kleinen Block aus der Tasche meiner Cargohose und hielt ihn hoch. »Da steht ihre Adresse drin. Siehst du, hier.« Ich zeigte meinem Onkel das Deckblatt und blätterte dann die ersten Seiten um.
    »Ich wollte ihn ihr bloß zurückbringen … und mich erkundigen, ob der Sheriff sie gestern Abend noch gefunden hat.«
    Autry zog eine Augenbraue hoch. Da er anhalten musste, um eine Schar wilder Truthähne über die Straße zu lassen, nahm er mir Sarah Janes Notizblock aus der Hand. Er las, was sie über die lustige Skizze eines Pferdes gekritzelt hatte, das Shorts, Strapse und einen kecken Hut mit Feder trug: »Wie Hal Gunderson es schafft, seiner Stute bis zur Landwirtschaftsschau das Jodeln beizubringen«, murmelte Autry. Wir schwiegen einige Sekunden, während er sich offenbar vorzustellen versuchte, wie Mr Gundersons Pferd vor großem Publikum wiehernd Holla-re-dü-rü sang. Autry schüttelte sich, als der letzte Truthahn die Straße frei machte, und fing plötzlich an zu lachen, als wäre ihm gerade die Lösung eines Rätsels aufgegangen, über das er schon seit Monaten nachdachte.
    »Vielleicht kommt Sarah Jane ja doch nach ihrer Mutter«, sagte er und gab mir den Notizblock zurück.
    »Nach ihrem Vater , wolltest du wohl sagen«, berichtigte ich ihn, während ich den Block voller Blödsinn zurück in meine Hosentasche steckte. »Hast du schon mal die Sammlung von ihrem Dad gesehen?«
    Autrys Gesicht verfinsterte sich und sein Fuß lag schwer auf dem Gaspedal, als wir an dem Zwangsvollstreckungsschild vor Nearys Autoschrotthandel vorbeifuhren.
    »Cabots Sammlung wird jeden Tag größer«, murmelte er. Dann fügte er lauter hinzu: »Ich bin sicher, Summer Cabot hat von oben zugesehen und sich gefreut, dass du auf ihre Tochter aufpasst, Ledge. Aber da Noble Cabot derjenige ist, vor dem wir uns alle hüten müssen …«
    »Von oben?«, wiederholte ich. »Ist Sarah Janes Mutter tot?«
    Mein Onkel rutschte auf seinem Sitz herum und hielt den Blick auf die Straße gerichtet. »Summer liegt schon länger unter der Erde«, sagte er. »Sie ist krank geworden, als Sarah Jane noch klein war und … nun ja …« Er beendete den Satz nicht. Erst in dem Moment fiel mir wieder ein, dass auch Autrys Frau auf dem Friedhof der Stadt begraben war.
    »… und es ist nicht immer so, dass die Leute wieder gesund werden«, beendete ich den Satz für ihn und kam mir vor wie ein Dummkopf, weil ich das Thema überhaupt angeschnitten hatte. »Tut mir leid«, schob ich nach. Autry legte den Kopf schief, sagte aber nichts mehr. Ich fragte mich, ob er an Summer Cabots Tod dachte oder an den seiner Frau. Soweit ich das nach meinem kurzen Zusammentreffen mit Noble Cabot sagen konnte, war das das Einzige, was er und mein Onkel gemeinsam hatten.
    »Hör zu, Ledge. Ich mache dir nicht viele Vorschriften für diesen Sommer«, sagte er schließlich. »Nur diese eine: Halt dich von den Cabots fern. Ich bin sicher, Sarah Jane findet einen neuen Notizblock. Versprich mir, dass du ab heute einen großen Bogen um sie machst.«
    »Ich verspreche dir, dass ich nie wieder einen Schuh in das Haus der Cabots setze.« Ich hob meine Hand zum Schwur. Es war nicht exakt das Versprechen, das Autry mir hatte abnehmen wollen, aber als er sah, dass auch der noch verbliebene Radiodrehknopf zu wackeln anfing, ließ er die Sache auf sich beruhen.

14
    In den nächsten Tagen ignorierte ich Fedora und die verrückte Cousinen-Mischung, die ich jetzt den ganzen Sommer am Hals haben würde. Ich wachte jeden Morgen bei Tagesanbruch auf, genau wie Rocket. Und während er sich Mühe gab, leise zu sein, versuchte ich ihn mir gewogen zu halten, indem ich mich schlafend stellte, bis er weg war.
    Wenn ich nicht joggte, nagte die Unruhe an mir wie

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