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Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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Bitsy an einem Knochen. Da ich weder das Telefon noch den Computer meines Onkels in Gefahr bringen wollte, sprach ich nicht mit meinen Eltern, wenn sie anriefen, und fragte auch nicht, ob ich meinen Freunden eine E-Mail schicken durfte. Josh, Ryan und Brody waren wahrscheinlich ohnehin viel zu sehr damit beschäftigt, Fahrrad und Wildwasserbahn zu fahren, um zu merken, dass ich nicht da war.
    Allein und trübsinnig lief ich über die Ranch, warf Kiefernzapfen in den Fluss oder kletterte auf die Birken bei der Waldwiese. Ich errichtete Steintürme und stieß sie wieder um. Sogar ein Fort baute ich. Aber als ein Eichhörnchen auf meinen Anbau aus heruntergefallenen Zweigen sprang, brach das ganze Teil über mir zusammen. Zum Abschluss seiner Ledger-Kale-Imitation rannte das erschrockene Eichhörnchen blitzartig davon.
    Da ich nicht erneut eine Katastrophe verursachen wollte, hielt ich Abstand zum Haupthaus, zu Rockets Gartenschuppen und zu den Bienenstöcken auf der Wiese. Als ich doch einmal zu nah an das Insektenhaus herankam, hob Marisol mich zehn Zentimeter vom Boden ab, während Mesquite mich in die entgegengesetzte Richtung trieb.
    Während ich das Insektenhaus so gut wie möglich umging, fühlte Gypsy sich davon angezogen, als wäre es extra für sie gebaut worden. Sie verbrachte Stunden damit, drinnen die Schmetterlinge zu beobachten oder auf den Wiesen darum herum Blumen zu pflücken. Da es bis zu ihrem dreizehnten Geburtstag noch ein paar Monate waren, konnte ich nur raten, was für eine Art Schimmer Gypsy wohl demnächst bekam. Ich stellte mir vor, wie meiner Cousine beim Auspusten der Geburtstagskerzen Feenflügel wachsen würden oder wie sie auf die Größe von Däumelinchen schrumpfte, um für den Rest ihres Lebens zwischen Löwenzahn und Gänseblümchen auf einem Fliegenpilz zu wohnen, Glitzerstaub zu furzen und Kumbaya zu singen.
    Gegen Ende des Tages machte Autry immer ein riesiges, prasselndes Lagerfeuer, denn abends wurde es in Wyoming auch im Sommer schnell kühl. Fedora war an unserem dritten Abend auf der Ranch bereits voll im Brandschutz-Modus:
    »Errichte Lagerfeuer stets weit weg von trockenem Gras oder Blättern, Onkel Autry!«
    »Haben wir genügend Wasser griffbereit?«
    »Und eine Schaufel?«
    »Es ist alles in Ordnung, Fe«, lachte Autry. Mein Onkel war gut gelaunt. An diesem Morgen hatte er per Express eine Schachtel mit Schmetterlingskokons erhalten. Er hatte den ganzen Tag im Insektenhaus verbracht und so glücklich ausgesehen wie ich, als ich zu meinem sechsten Geburtstag mein erstes Transformers -Spielzeug bekam.
    Opa Bomba döste, den Helm voller goldener Einmachglasdeckel im Arm, in seinem Sessel. Gypsy zufolge war Samson nie weit von Opa entfernt, auch wenn Marisol und Mesquite ihn mitsamt seinem Sessel anhoben und ihn vorsichtig hinschickten, wo immer er gerade hinwollte. Ich hatte Opa schon im Schatten der großen Pappel am Fluss sitzen sehen, draußen auf der Wiese und auf einer Waldlichtung hoch oben auf dem Bergrücken im Norden. Er schwor, dass er von dort bis zu der massiven Steinsäule des Teufelsturms sehen konnte.
    »Ich habe immer davon geträumt, diesen Monolithen näher an die Ranch heranzuholen«, hatte Opa kichernd gesagt, als ich ihn dort traf. »Aber inzwischen könnte ich diesen Berg nicht mehr als ein paar Zentimeter vom Fleck bewegen – und auch das nicht ohne Hilfe.«
    Während Opa in seinem weichen Sessel behaglich ein Nickerchen machte, saßen wir anderen auf abgesägten Baumstümpfen, spießten Tofuwürste auf Stöcke und rösteten sie über dem Feuer, bis sie schwarz waren. Nachdem wir uns alle die Finger abgeleckt hatten, räumten Marisol und Mesquite, ohne aufzustehen, für alle ab, indem sie Becher und Teller hochfliegen und über das Feuer hinwegschweben ließen und das schmutzige Geschirr auf dem Klapptisch stapelten. Es war unglaublich frustrierend, mit ansehen zu müssen, wie problemlos die Zwillinge ihren Schimmer beherrschten. Ich erinnerte mich daran, dass sie schon früh angefangen hatten: Noch ehe sie lesen konnten, hatten sie damit begonnen, Sachen durch die Luft schweben zu lassen. Trotzdem wurmte es mich, dass sie so geschickt waren. Und sie hatten nicht nur alles perfekt unter Kontrolle, sondern es war auch noch nützlich .
    Um mich von dieser übertriebenen Talentiertheit der Zwillinge und meinem völligen Versagen abzulenken, konzentrierte ich mich auf Sarah Janes Notizen, die ich im schwachen Licht des Feuers jedoch nur schwer

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