Der Schimmer des Ledger Kale
beschloss, ihre Fähigkeiten geheim zu halten und das Gold unter der Erde schlummern zu lassen. Aber man erzählt sich, sie habe einen Schatz zurückgelassen …«
»Einen Schatz?«, platzten Marisol und Mesquite gleichzeitig heraus. »Eva Mae hat einen Schatz zurückgelassen?«
»Gold?«, fragte Fe.
»Na logo Gold , Fedora«, giftete Marisol.
»Was denn sonst? Barbecue-Soße vielleicht?«, fügte Mesquite kichernd hinzu.
»Aber wo hat Eva Mae ihren Schatz denn versteckt?«, wollte Fe wissen.
Opa schaute in die Runde und ließ seinen Blick auf jedem von uns einen Moment lang ruhen. »Nun, genau hier, Fedora.«
»Hier in Wyoming?«, fragte ich erstaunt. Die Mädchen sahen sich mit weit aufgerissenen Augen an. Ich schaute zu Autry, um mich zu vergewissern, dass das auch stimmte, doch mein Onkel zuckte nur die Achseln.
»Du meinst doch nicht etwa … hier auf der Ranch ?«, fragte ich. Ich wusste nicht mehr, was ich glauben sollte.
»Dieses Stück Land befindet sich schon sehr lange im Besitz unserer Familie«, flüsterte Marisol.
»Stimmt genau!« Mesquite ergriff die Hand ihrer Schwester. »Kann es sein, dass Eva Mae genau hier gelebt hat?«
»Ihr solltet inzwischen eigentlich wissen, dass alles möglich ist, Kinder.« Opa nickte in seinem Sessel. »Alles.«
*
»Warte, Ledge.« Bevor ich allein Richtung Osthügel verschwinden konnte, hielt Autry mich zurück; die anderen ließ er ins Bett gehen. Also setzte ich mich wieder neben meinen Onkel und sah einer kleinen Spinne dabei zu, wie sie zwischen uns ein Mitternachtsnetz webte.
»Ich möchte dir etwas sagen, Ledger«, begann Autry.
Ich hielt die Luft an und fragte mich, ob ich jetzt die Strafe für all den Ärger bekommen würde, den ich seit meiner Ankunft in Wyoming verursacht hatte.
»Die Geschichte über meinen dreizehnten Geburtstag klang ziemlich lustig, so, wie die anderen sie erzählt haben«, sagte er und schickte ein kurzes, schiefes Grinsen hinterher, das eher eine Grimasse als ein Lächeln war. »Und wie jede gute Geschichte hat sich auch diese über die Jahre ganz schön weiterentwickelt. Aber etwas über diesen Tag habe ich noch nie jemandem erzählt. Nicht einmal den Mädchen.«
Ich machte mich auf einen fantastischen Nachtrag zu seiner Geburtstagsgeschichte gefasst, nach dem ich mich noch mieser fühlen würde. Doch was Autry mir nun anvertraute, überraschte mich.
»Als Kind habe ich Insekten gehasst, Ledge. Und wie ich sie gehasst habe!« Autry verzog das Gesicht. »Echt wahr!«, sagte er lachend, als er merkte, wie erstaunt ich war. »Wenn ich Insekten gesehen habe, stellten sich mir die Nackenhaare auf, und Spinnen machten mir eine Riesenangst. Dieser Tausendfüßler, der mich an meinem Geburtstag geweckt hat, erschreckte mich derart, dass ich mir beinahe in meinen Pyjama gemacht hätte.«
»Und was ist dann passiert?«, fragte ich, als mir der Flohzirkus und die Wettflüge der Pferdebremsen wieder einfielen, von denen Opa erzählt hatte. »Wann hast du aufgehört, solche Angst zu haben?«
Autry griff nach unten und ließ die kleine Spinne auf seine Hand krabbeln. »Wer sagt, dass es jemals aufgehört hat?«
»Was?« Jetzt war ich richtig verwirrt. »Du kannst gar keine Angst vor Spinnen mehr haben. In deinem Insektenhaus lebt doch eine, die so groß ist wie eine Bulldogge!«
»Nein, nein. Nicht wie eine Bulldogge …« Autry kicherte. »Wie ein Chihuahua vielleicht.«
Ich war mir nicht sicher, ob er mich da nicht auf den Arm nahm.
»Manche Ängste kann man besiegen, Ledge«, fuhr er nach einer längeren Pause fort. »Andere haben die Angewohnheit, einen immer wieder von hinten anzuspringen. Manchmal genau dann, wenn man es am wenigsten erwartet. Und oft zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt. Ängste machen es einem schwer, einen klaren Kopf zu behalten. Und wenn man nicht denken kann, ist es schwer, die richtige Entscheidung zu treffen. Aber wenn man sich nicht zwischen verschiedenen Möglichkeiten entscheidet, kann man nur noch reagieren und sonst nichts.« Autry flüsterte der Spinne etwas zu und sie sprang davon, verschwand in die Nacht, um an anderer Stelle ihr Netz zu spinnen.
»Ich reagiere aber nicht bloß«, grummelte ich. »Mein Schimmer tut es. Ich kann ihn nicht kontrollieren.«
»Versuch mal herauszufinden, was dir Angst macht, Ledge«, schloss mein Onkel und rieb sich die Hände. »Wenn du das weißt, kannst du auch deinen Schimmer beherrschen, statt dich von deinem Schimmer beherrschen zu lassen. An dem
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