Der Schimmer des Ledger Kale
Naturschutzbehörde haben diese Chrysaliden von Gaunern – Schmetterlingsschmugglern –, die versucht haben, sie illegal für viel Geld zu verkaufen. Niemand konnte sie identifizieren, also haben sie sie zu mir geschickt. Wenn alles gut geht, kriege ich noch mehr Arbeit. Arbeit, für die ich richtiges Geld bekomme, nicht nur Zimtplätzchen und eingemachte Pfirsiche.«
Die Zwillinge nickten.
»Ja, Papi. Mrs Witzels Kuchen sind zwar lecker …«, begann Marisol.
»Aber davon kann man die Miete nicht bezahlen«, beendete Mesquite mit düsterer Miene den Satz. »Du musst Geld von den Leuten nehmen, wenn du sie von ihren Ameisen befreist.«
»Und ihren Termiten.«
»Und ihren Wespen.«
Mir fiel Sarah Janes Bericht darüber ein, wie Autry auf eine Leiter gestiegen war, um ein Wespennest von ihrem Fenster abzunehmen, und ich stellte mir vor, wie Mr Cabot meinen Onkel mit einem Flaschenkürbis bezahlt hatte, der wie George Washington aussah. Es musste ganz schön viel Geld kosten, eine Ranch wie das Fliegende Ochsenauge zu unterhalten. Und dass der Handel mit Marienkäfern viel einbrachte, bezweifelte ich. Vielleicht hatte Autry das gemeint, als er davon sprach, dass er die Ranch in den Sand setzen würde.
Sobald Autry seine Fachzeitschrift zugeschlagen hatte, kassierte Gypsy sie ein. Völlig verzaubert von den neuen Bewohnern des Insektenhauses begann sie mit dem leeren Platz neben sich zu tuscheln. Doch was immer Samson über die Schmetterlinge dachte, er teilte es der Gruppe nicht mit.
Am nächsten Morgen ging ich früh joggen. Durch das Laufen bekam ich den Kopf frei. Und mit einem Schimmer wie meinem und Schimmer-Dimmer-Lehrerinnen wie den Zwillingen brauchte ich so viele erfrischte Hirnzellen wie irgend möglich. Während ich lief, versuchte ich mir einzureden, dass Marisol und Mesquite mir vielleicht tatsächlich etwas beibringen konnten. Sie hatten ihren Schimmer perfekt im Griff. Aber kaum dass meine erste Unterrichtsstunde begann, kehrten all meine Zweifel zurück.
»Weiß ein Wassertropfen, dass er Teil eines Flusses ist, Ledge?«
Ich verdrehte die Augen, als Marisol mir vom Ufer aus philosophisch klingenden Unsinn zurief. Die Sonne verbrannte mir eine Gesichtshälfte, während ich, bis auf meine Shorts unbekleidet, auf einem großen Felsen inmitten der reißenden Strömung saß und die Zwillinge dabei beobachtete, wie sie mich mit lauter kleinen Küchengeräten aus dem Haus umkreisten.
»Weiß eine Sprungfeder, dass sie Teil eines Toasters ist?« Mesquite sah mich mit abgeklärter Miene an, während sie einen glänzenden Toaster aus rostfreiem Stahl in meine Richtung schweben ließ.
»Meditiere über den Heizmechanismus, Ledge.«
»Konzentriere dich auf das Auffangfach für die Krümel.«
Ich versuchte zu tun, was sie sagten, und konzentrierte meine ganze Energie auf den Toaster. Aber dafür, dass sie so viel redeten, wurde es den beiden Mädchen ganz schön schnell langweilig, mir dabei zuzusehen, wie ich sinnlos das Gerät anstarrte.
»Jetzt demolier ihn schon, Vorschlaghammer!«
»Attackier ihn!«
»Ramponier ihn!«
»Massakrier ihn!«
»Ruhe! Sonst massakrier ich euch!«, schrie ich zurück. »Haltet doch einfach mal die Klappe! Ich versuch’s ja!«
Marisol und Mesquite schnalzten mit der Zunge – ganz genau wie Großtante Jules – und drückten mich dann rückwärts von dem Felsen. Als ich wieder auftauchte, perlten mir kühles Wasser und hitzige Wörter von den Lippen, und im Nu trieben die Einzelteile des Toasters aus rostfreiem Stahl den Fluss hinunter – zusammen mit dem Mixer, der Küchenmaschine und den Rührbesen des mechanischen Quirls.
Am nächsten Tag verlief meine Unterrichtsstunde auch nicht viel besser. Fedora sang aufgeregt ihr Läuft mit hundert Sachen, Ledger lass es krachen! Zisch! Krach! Boing! Hurraaaaaa! , während Marisol und Mesquite mir die Augen verbanden und dann Dichtungen und Schrauben in meine Richtung schweben ließen. Und wozu? Um herauszufinden, ob ich die herannahenden Geschosse erspüren und ihnen ausweichen konnte, ehe sie mich trafen.
Ich konnte es nicht.
Die Mädchen verpassten mir drei vor den Kopf, zwei vor die Brust und einen unterhalb der Gürtellinie – oder, in meinem Fall, unterhalb der Gummibandlinie –, ehe ich beschloss, das Handtuch zu werfen. Oder es dazu zu benutzen, meine Cousinen im Schlaf zu erdrosseln.
Die Zwillinge hatten schon so lange Übung darin, ihren Schimmer zu kontrollieren, dass es ihnen zur zweiten Natur
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