Der Schimmer des Ledger Kale
geworden war. Sie wussten eigentlich gar nicht, wie es ging, wie mir allmählich dämmerte. Sie taten es einfach, weil sie es schon immer machten.
Hin und wieder hörte ich während meines »Unterrichts« ein Knistern, und wenn ich aufblickte, sah ich Rocket, der mein Scheitern aus der Ferne beobachtete.
»Konzentrier dich, Ledge!«, sagte Mesquite dann und schnippte mit den Fingern vor meinem Gesicht herum. Marisol schnickte mir gegen die Nase. »Aufgepasst, Ledger!«
Aber es war schwer, sich zu konzentrieren, wenn Rocket aufhörte, Unkraut zu jäten, um am Gartenzaun lehnend mit grimmiger Miene meiner Erniedrigung zuzusehen.
An meinem dritten Unterrichtstag ketteten die Zwillinge Fedora und mich auf halber Höhe des Osthügels an den klebrigen Stamm einer Kiefer und ließen uns dort zurück, bis es mir gelang, uns selbst zu befreien. An diesem Punkt beschloss ich, dass ich genug von dem gnadenlosen Training der Mädchen hatte. Als ich den Hügel hinunterstapfte, begegnete ich den Zwillingen, die nach einem schönen, langen Ausflug gerade ihre identischen Mountainbikes an den Schuppen hinter dem Garten lehnten. Wenn ich nur wieder zu Hause gewesen wäre, um mit Josh und Ryan und Brody Rad zu fahren, anstatt zuzulassen, dass Marisol und Mesquite sich auf meine Kosten amüsierten.
Ich wünschte mir, die Räder der Mädchen wären ebenso ramponiert wie mein Stolz, schoss zwei lange, wütende Blicke auf sie ab und hielt den letzten so lange starr auf die Mountainbikes gerichtet, bis Leichtmetallfelgen wie Frisbeescheiben durch die Gegend flogen … Ketten zu Boden glitten … Pedale wie Eishockey-Pucks durch die Luft segelten … und die Mauer des Schuppens aussah, als würde sie von einem tollwütigen, roboterhaften Stachelschwein attackiert, da einhundertvierundvierzig Radspeichen in sie einschlugen.
Langsam bekam ich Übung im Zerlegen von Zweirädern.
»Das war super, Ledge!«, lobte Marisol und gab mir einen kräftigen Schubs. Sie gönnte mir nicht mal die Genugtuung, dass sie richtig sauer wurde, während die Einzelteile ihres Fahrrads nach und nach vom Himmel fielen und dabei zwei von Rockets Tomatenpflanzen zerstörten und schraubenförmige Löcher in die Blätter seiner Zucchinipflanzen schlugen.
»Das war Absicht, oder?«, fragte Marisol aufgeregt. »Du hast die Räder extra in die Luft gejagt!«
»Siehst du?«, sagte Mesquite. »Übung macht den Meister. Oder in deinem Fall: den Schrotthaufen .«
Ich runzelte die Stirn. War das wirklich Absicht gewesen? Nicht einmal das Einsetzen des vertrauten eisigen Schimmerkribbelns hatte ich bemerkt. Und selbst wenn das Ganze einen Hauch gesteuert gewesen war: Konnte man es als Fortschritt bezeichnen, wenn ich etwas absichtlich kaputt machte anstatt aus Versehen? Irgendwie wollte mir das nicht ganz einleuchten.
Es war pures Glück gewesen, dass keins der herumfliegenden Teile das Glasdach des Insektenhauses durchschlagen hatte. Ich sah genau vor mir, wie ein Vorderrad durch das Dach krachte und Gypsy am Kopf traf; sie verbrachte jetzt jeden einzelnen Tag mit Onkel Autry da drinnen und bewachte die Alexandras. Aber wie ich Gypsy kannte, hätte sie wahrscheinlich nur gegrinst und es irre lustig gefunden, dass Räder vom Himmel fielen.
Die Zwillinge konnten mein Fahrradmassaker noch so sehr loben und preisen – ich wusste, dass ich mich auf etwas gefasst machen konnte, wenn Rocket entdeckte, wie ich seinen Garten zugerichtet hatte.
Es wurde Zeit, dass ich mich dünnmachte.
16
Es waren nur fünfzehn Minuten bis zu Nearys Autoschrotthandel , aber als ich losgelaufen war, hatte ich noch nicht gewusst, dass dort mein Ziel lag. Ich war Richtung Sundance aufgebrochen, weil ich dachte, Rocket würde mich vielleicht doch am Leben lassen, wenn ich am Abend Omas letztes überlebendes Einmachglas in den Händen hielt. Doch als ich an Nearys Schild vorbeikam, war ich einfach stehen geblieben. Die Berge aus Schrott zogen mich magisch an. Kaputte Fahrzeuge bedeckten die offene, sanft ansteigende Landschaft: Lastwagen, Autos, Traktoren und sogar ein Wohnmobil und ein oder zwei alte Boote.
Ich folgte der Zufahrtsstraße und schaute auf diesen Schlachthof voller verschlissener Scheibenbremsen, Schiebedächer und Stoßdämpfer. Von einem frei stehenden großen Gebäude, das Werkstatt und Wohnhaus zugleich zu sein schien, führten Wege in das Labyrinth aus Metall hinein.
Ich wusste nicht, was ich hier wollte. Oder warum meine Knie so schlimm schlotterten. Es war doch
Weitere Kostenlose Bücher