Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
Vom Netzwerk:
Fehlte nur noch ein krakeliges, von einem Pfeil durchbohrtes Herz, und meine Verfehlung wäre auf ewig in diesen Zaun geschweißt gewesen. Eine Hälfte von mir wollte ein Loch in die Erde graben und darin versinken. Die andere Hälfte war ziemlich stolz. Schief hin oder her, ich hätte zu gern gesehen, wie Josh das getoppt hätte.
    Sarah Jane lächelte noch immer. Ich lächelte zurück. Die Äste der Birke neben dem Haus wiegten sich im Wind, ihre Blätter schimmerten wie grünes Glas in der Sonne. Wenn ein Baum lachen konnte, dachte ich, dann tat dieser es mit Sicherheit gerade. 
    Sarah Jane trat einen Schritt von dem frisch mit ihrem Monogramm verzierten Zaun zurück und stieß dabei versehentlich Oma Dollops Glas um. Ich schaute – von Stolz und Verlegenheit benebelt – nach unten, und mein Gehirn brauchte eine Weile, um zu registrieren, was mit dem Etikett nicht stimmte.
    Es fehlten die klobigen gelben Buchstaben der Aufschrift Peter-Pan-Erdnussbutter . Auf dem Etikett dieses Glases stand: Elmer Manns pikanter Hering im Glas .
    Ich sah entgeistert zu Sarah Jane hoch.
    Das war gar nicht Oma Dollops Glas. Dieses Glas enthielt überhaupt keine Radiowellen. Was sich in diesem Glas befand, war nicht magischer als hartnäckiger Fischgeruch.

22
    Ich mahlte mit den Zähnen, meine Gelassenheit war schlagartig dahin. Ich hatte Sarah Jane alles erzählt! Ich hatte gegen die Familienregel verstoßen und mich für sie zum Affen gemacht. Und sie hatte mich schon wieder übers Ohr gehauen. Fassungslos und vor Wut schäumend fuhr ich einmal mehr bei schwerer See mit diesem Schiff auf Tante Jennys Bild. Nur dass ich es Sarah Jane jetzt, da ich am Steuer stand, so richtig zeigen würde.
    Ledger Kales großer Auftritt war noch nicht vorbei.
    Ohne einen Finger zu rühren oder ein Wort zu sagen, ließ ich den Zaun wie eine Welle aus Eisen aufsteigen und trieb die Wucht meines Zorns durch ihn hindurch. Sarah Jane warf die Arme hoch, um ihr Gesicht zu schützen, als ihre Initialen zwischen uns fielen und die Gitterstäbe des Zauns einer nach dem anderen herauskippten.
    Das Geräusch der zuschlagenden Fliegengittertür brachte mich wieder zur Vernunft. Hedda, der Hausdrachen, trat – einen Aschenkasten vom Kamin in der einen Hand und einen Wischmopp in der anderen – auf die Veranda und machte ein Gesicht, als befürchtete sie einen Angriff von Alienarmeen. Sobald ich die Haushälterin erblickte, bändigte ich meinen Schimmer und stellte ihn ab, ehe Hedda mich für einen Außerirdischen halten und vernichtend schlagen konnte.
    Sarah Jane ließ die Arme sinken und fuhr sich mit den Fingern über einen zehn Zentimeter langen Kratzer unterhalb ihres Ellenbogens, wo eine der Zaunspitzen sie geschrammt hatte. Die Wunde war nicht tief. Sie blutete nicht mal. Aber meine Gedanken sprangen zum Abend der Hochzeit und der tiefen Schnittwunde in Fishs Gesicht zurück, nachdem ich die Scheune zerstört hatte. Rocket hatte mich gewarnt. Er hatte mir gesagt, ich müsse vorsichtiger sein.
    Was nützte die Kontrolle über mein Werk, wenn es mir nicht gelang, meine Gefühle zu kontrollieren?
    Ich machte einen Schritt auf Sarah Jane zu. Ihre Augen weiteten sich, als sie mich ansah – nein, an mir vorbei sah.
    Hinter mir schlug eine Autotür zu.
    Langsam drehte ich mich um. Am Straßenrand parkte ein langer schwarzer Lincoln. Blitzsaubere Weißwandreifen. Makellose schwarze Karosserie. Noble Cabot – der rotgesichtige, schlecht gelaunte Noble Cabot – kam auf mich zu.
    »Was zum Henker ist denn hier los?«, schrie er. Sein Blick wanderte die Reihe herausgefallener Zaunpfähle entlang und dann stürzte er sich wie ein Habicht auf mich. »Du schon wieder!«, rief er. Sein Gehstock schlug presslufthammerartig auf den Boden ein. »Hab ich O’Connell nicht gesagt, er soll dich und deinesgleichen von meiner Tochter fernhalten?!«
    Cabot prügelte mit dem Stock auf mein Bein ein, während er mich anschrie. Es tat nicht weh. Jedenfalls nicht besonders. Aber es brachte mich auf die Palme. Und ich konnte es mir nicht leisten, noch wütender zu werden, als ich ohnehin schon war. Im Nachhinein betrachtet war es wohl keine so gute Idee gewesen, den Zaun kaputt zu machen.
    »Bist du für dieses … dieses Chaos verantwortlich, Bürschchen?« Mr Cabot senkte die Stimme zu einem leisen Knurren und hielt den Stock vor meine Brust. Die Bewegung kam so plötzlich, dass ich vor Schreck einen lauten Fluch ausstieß. Es war so, wie wenn Dampf aus einem Kessel

Weitere Kostenlose Bücher