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Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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und hielt mir die Augen zu, wann immer die beiden sich zu nahe kamen. Aber manchmal, wenn ich sie zusammen sah, musste ich unwillkürlich an Sarah Jane denken.
    Ich fragte mich, wie es SJ wohl in dem großen alten Haus ging, wo sie nur ihren Vater und Hedda, den Hausdrachen, um sich hatte. Jeden Morgen, wenn ich Rockets Häuschen verließ, ertappte ich mich dabei, wie ich das Funkeln grüner Augen oder das kurze Aufleuchten weißblonder Zöpfe in den Schatten der Bäume rund um die Ranch zu entdecken glaubte. Doch dann war es nur ein Grünschimmer im Flügel einer Elster oder das Weiß und Braun einer weglaufenden Antilope. Und ich war überrascht, wie sehr mich das enttäuschte.
    Je enger die Freundschaft zwischen Rocket und Winona wurde, desto mehr Zeit verbrachte ich allein auf dem Schrottplatz. In meinem Kopf rockte der ganze Platz wie eine sinfonische Schrott-Band; das Kribbeln und Jucken wie von Ameisen unter meiner Haut machte mir kaum noch etwas aus. So als wüchse ich in einen Mantel hinein, den Mom zwei Jahre zu früh im Ausverkauf erstanden hat, oder so wie ich mich daran gewöhnte, dass meine Stimme während des Stimmbruchs fiepste und krächzte, stellte ich mich allmählich auch auf meinen Schimmer ein. Er wurde zu einem Teil von mir. Einem Teil, den ich sogar zu mögen begann.
    Vielleicht würde sich ja alles zum Guten wenden, wenn ich nach Hause kam.
    Ich übte, sooft ich konnte, und probierte in den entlegensten Teilen des Schrottplatzes neue Sachen aus. Dabei hielt ich so viel Abstand von der Werkstatt, dass ich sie nicht mehr sehen und davon ausgehen konnte, dass Winona mich auch nicht sah.
    Viermal hintereinander nahm ich das Fahrgestell eines Chevrolet Corvair auseinander und baute es wieder zusammen – und zwar jedes Mal schneller –, bis ich mir wünschte, ich hätte Dads Stoppuhr, um die Zeit zu nehmen. Bis ich mir wünschte, Dad wäre da und könnte mir zuschauen.
    Aus den Fahrgestellen zweier verbeulter Range Rover setzte ich eine Brücke zusammen und aus einem alten Wohnmobil ein liegendes Nashorn. Um den Eiffelturm nachzubauen, stapelte ich Zündkerzen wie Klopapierrollen aufeinander. Diesmal neigte sich mein Turm nur ein kleines bisschen zur Seite – meine Lehrerin aus der dritten Klasse wäre stolz auf mich gewesen. Aber ich war immer noch nicht annähernd so gut wie Winona. Mein Nashorn sah eher aus wie eine zertretene Kakerlake und meine Brücke wackelte, wenn man darüberging.
    Nachdem ich ein Dutzend Mal in Winonas Skulpturengarten zurückgekehrt war, flehte ich sie an, einen Blick unter die Plane in der Werkstatt werfen zu dürfen, die verbarg, woran sie gerade arbeitete.
    »Darf ich bitte mal sehen, was du gerade baust?«, bettelte ich.
    »Okay, okay!«, seufzte sie und gab endlich nach. »Aber du musst mir versprechen, nett zu sein und dich nicht darüber lustig zu machen – ihr beide müsst es versprechen –, bislang ist es nämlich nur Stückwerk. Ich baue es andauernd auseinander und wieder zusammen. Aber irgendwie kriege ich es nicht richtig hin.« Rocket wusste über Winonas Kunstwerke Bescheid; ich hatte ihn auf den Platz gezerrt und ihm ihre Skulpturen gezeigt, kurz nachdem er sich dem Knucklehead-Team angeschlossen hatte.
    »Wir machen uns nicht darüber lustig!«, versicherte Rocket ihr. Dann grinste er. »Es sei denn, es ist lustig.« Winona klopfte Rocket mit einem Schraubenschlüssel gegen die Brust, aber kein einziger blauer Funke stieg auf.
    »Zwing mich nicht, dich auseinanderzunehmen, mein Lieber!«, drohte Winona.
    Rocket und ich wechselten einen Blick und brachen dann in unkontrolliertes Gelächter aus, bis ich mich nicht mehr halten konnte und Rocket die Tränen in den Augen standen. Winona nahm die Ecken der Plane und ignorierte uns.
    »Manchmal müssen Dinge erst mal auseinandergenommen werden, bevor etwas Neues daraus entstehen kann.« Mit diesen Worten zog sie schwungvoll die Abdeckung weg. Rocket stellte sich immer noch kichernd dicht neben Winona und bestaunte ihre Kreation. Er setzte eine ernste Miene auf, wobei seine Mundwinkel nur ganz leicht zuckten, neigte den Kopf zur Seite und versuchte, in dem Mischmasch von Einzelteilen irgendeine Form zu erkennen.
    »Wow! Das ist ein … ein …« Rocket kratzte sich am Kopf.
    »Erkennst du es etwa nicht?« Winona stieß ihm erneut den Schraubenschlüssel gegen die Brust.
    » Autsch! Ist es ein Esel?«, fragte er und wand Winona lachend den Schraubenschlüssel aus der Hand. Ich betrachtete ebenfalls

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