Der Schimmer des Ledger Kale
in das Album gelegt hatte.
»Sieh dir das an, SJ!« Die Mappe enthielt lauter in Klarsichthüllen gesteckte Kopien des Sundance Express : die Ausgabe, die Gus Nearys Piratenleben beschrieb, und auch die über Selma Witzels Entführung durch Aliens. Sogar eine über die Geister irgendwelcher Banditen, die angeblich im T-Shirt-Laden spukten. Mich überlief ein Schauder und ich war froh, dass ich nie einen Fuß in diesen Laden gesetzt hatte, als er noch geöffnet war.
»Das war meine erste Zeitung!« SJ wies mit dem Kinn auf die Ausgabe mit den Geistern. »Dad wollte mich an meinem Geburtstag weder ausführen, noch durfte ich Freunde zum Feiern einladen. Er hat mir nicht mal erlaubt rauszugehen. Also hab ich den ganzen Tag damit verbracht, den Sundance Express auf die Beine zu stellen.«
Als ich SJ so über ihren Geburtstag reden hörte, stutzte ich. Irgendwie kam mir das bekannt vor. Aber ich war viel zu sehr damit beschäftigt, Mr Cabots Sammlung von SJs Zeitungen in Augenschein zu nehmen, um mich konzentrieren zu können. Mr Cabot mochte ja die Exemplare weggeworfen haben, die SJ hergestellt hatte, um sie zu verkaufen, aber er hatte von allen Ausgaben mindestens eine Kopie aufgehoben.
Von allen außer einer.
Ich seufzte erleichtert, als ich feststellte, dass die Knüllerausgabe über die Schimmerfamilie nicht in der Mappe war. SJ hatte mir versprochen, sie niemandem zu zeigen, und es schien, als hätte sie ihr Versprechen gehalten.
»Wie es aussieht, hast du dich geirrt, SJ«, sagte ich, während ich die Mappe durchblätterte. »Dein Vater schenkt dem, was du tust, offensichtlich doch Beachtung.« Sarah Jane antwortete nicht. Sie klappte das Sammelalbum ganz vorne auf und sah sich die Fotos von der Hochzeit ihrer Eltern an. Ich beobachtete sie, während sie langsam die Seiten umblätterte.
»Warte mal!«, unterbrach ich sie, drehte das Album zu mir hin, blätterte zurück und sah mir dieselben drei Bilder noch einmal an.
Normalerweise hätte mich diese Hochzeit so was von gar nicht interessiert. Aber irgendetwas an diesen Bildern ließ mich stutzen. Ich starrte sie unverwandt an, bis ich darauf kam, was es war: »Das ist die Waldwiese auf der Ranch von meinem Onkel …«, sagte ich langsam. »Die, auf der auch mein Cousin Fish geheiratet hat.«
»Kann nicht sein! Warum hätten Mom und Dad denn da heiraten sollen?« SJ versuchte, das Album wieder zu sich hinzuziehen, aber ich ließ sie nicht.
»Siehst du die Stümpfe von den Wacholdersträuchern?«, sagte ich und zeigte auf das erste Foto. »Das sind exakt dieselben!« Dort standen Noble und Summer in voller Pracht zwischen zwei gewundenen Wacholderstümpfen, genauso wie Fish und Mellie nur wenige Wochen zuvor. Das mussten dieselben sein – ich hatte sie schließlich lange genug angestarrt, während Mom mich mit ihrem Schimmer auf dem Stuhl festgenagelt hatte.
»Es kann nicht dieselbe Waldwiese sein«, antwortete SJ, riss mir das Album aus der Hand und zeigte selbst auf das Foto. »Hinter diesen Stümpfen stehen doch gar keine Bäume.«
Ich kniff die Augen zusammen. Sie hatte Recht. Auf diesem Foto sah man keine hohen, ineinander verschlungenen Birken hinter dem Brautpaar, nur eine offene, mit Gras bewachsene Wiese. Ich blätterte die Seite um und zeigte grinsend auf das nächste Bild.
»Und jetzt sieh dir das an!«
Das zweite Bild zeigte dieselben Stümpfe und dasselbe verliebt dreinschauende, Händchen haltende Paar. Aber jetzt waren darauf auch die beiden Birken zu sehen – klein und belaubt –, beide nicht größer als die Braut. Sarah Jane schüttelte ratlos neben mir den Kopf.
Ich blätterte weiter und zeigte erneut auf eins der Fotos. Sarah Janes Eltern küssten sich – als Ehemann und Ehefrau. Nur, dass die Birken hinter ihnen plötzlich hoch aufragten und ihre Äste sich ineinanderschoben, so wie heute.
Sarah Jane betrachtete ungläubig die Fotos in dem Album. Ich setzte mich auf und lehnte mich an den Tresor. Plötzlich fiel mir noch eine andere hohe Birke ein, die ich kürzlich gesehen hatte, und die Marmorbank mit der eingravierten Inschrift darunter.
Die Kuckucksuhr an der Wand schlug zur vollen Stunde und zerriss die Stille, die sich auf uns herabgesenkt hatte. Wie lange waren wir wohl schon in Mr Cabots Büro?, fragte ich mich. Wir konnten es uns nicht leisten, hier den ganzen Tag herumzusitzen und uns Fotos anzusehen. Mr Cabot konnte jeden Moment zurückkommen!
Ein letztes Kuckuck hallte durch den Raum. Und wo wir schon beim
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