Der Schimmer des Ledger Kale
mittendrin Oma Dollops Peter-Pan-Erdnussbutter- Hochzeitsglas.
Entweder hatte Mr Cabot gelogen – oder Sarah Jane. Ihr Vater hatte das alte Glas gar nicht in den Müll geworfen. Er hatte es in seinem Tresor eingeschlossen.
Ich griff an Schmuck und Geld vorbei und nahm Omas Glas heraus, wobei ich Unterlagen und Bücher umstieß, die zu Boden fielen. Ich beachtete die Unordnung zu meinen Füßen nicht, sondern lockerte den weißen Deckel ein wenig, um nachzuprüfen, ob die Sinfonie noch sicher im Glas eingeschlossen war.
Die vertraute Musik erklang im Raum, und eine schwere Last in meiner Brust lichtete den Anker und entschwand. Wenn ich auf die Ranch zurückkam, brauchte Opa Bomba die Hilfe der Zwillinge nicht mehr – er würde von selbst in der Luft schweben. Tante Jules’ Enkel, Mibs und Will … die ganze Familie würde froh sein, Omas Glas zurückzuhaben, um es bei zukünftigen Hochzeiten zum Einsatz zu bringen. Grinsend drehte ich den Deckel wieder zu, aber die eingefangenen Trompeten hatten SJ schon herbeigelockt.
»Du hast es gefunden!«, rief sie und legte ihre Hand auf meinen Arm. »Hätte ich nicht gedacht, dass Daddy es hierherbringt!«
Ich blinzelte SJ an und versuchte festzustellen, ob sie log, während ich mir alle Mühe gab, das leise Kribbeln zu ignorieren, das sich an der Stelle in meiner Haut bemerkbar machte, die sie berührte.
»Du musst mir glauben, Ledge!«, sagte sie und sah mich direkt an; ihre grünen Augen flehten nach Vertrauen. »Daddy hat mir wirklich erzählt, er wollte es ins Altglas werfen. Ich schwöre!« Ihr Gesicht war so dicht vor meinem, dass ich ihren Lippenbalsam mit Wassermelonenduft riechen konnte. Meine Hände schwitzten. Es wäre einfach gewesen, sich ein wenig vorzubeugen, den Kopf zu neigen und …
Igitt! Nein! Wo war ich denn mit meinen Gedanken? Ich rückte rasch von Sarah Jane ab und kam auf den über den ganzen Boden verstreuten Büchern und Papieren ins Rutschen.
»Wer’s glaubt, wird selig«, sagte ich und zuckte zusammen, weil meine Stimme nicht viel mehr als ein Krächzen war. »Gib’s mir schriftlich, SJ. Dann glaube ich dir.«
Mein Freund Josh hätte mir eine Kopfnuss gegeben, wenn er neben mir gestanden hätte. Ich hörte ihn förmlich aufheulen: »Mensch, du hättest rangehen sollen, du alte Memme!«
Ich ging in die Hocke und schob das Durcheinander an Papieren und Unterlagen zurück in den Tresor. SJ kniete sich neben mich und zog ein Blatt aus ihrer Tasche.
»Vielleicht hilft das hier ja, Ledge. Sieh mal, was ich im Archiv gefunden hab!« Sie wedelte mit dem Blatt vor meinem Gesicht herum und fügte hinzu: »Es war unter O abgelegt. Ich glaube, hier steht, dass dein Onkel meinem Vater Geld schuldet. Das sind definitiv Papiere über die Ranch von deinem Onkel. Mit Unterschriften und allem!«
Ich schaute mir das Blatt an. »Und? Das sieht ganz schön offiziell aus, finde ich.«
»Wenn es hier ist, Ledge, dann wurde es vielleicht nicht offiziell eingereicht. Und wenn es nicht in den Akten ist, dann können wir es zerreißen! Dann wäre es, als hätte es niemals existiert, oder? Ledge? Hörst du mir zu?«
Ich hörte nicht zu. Ich starrte auf ein dickes, in Leder gebundenes Sammelalbum, das offen neben mir auf dem Boden lag. Mr Cabot wirkte für mich nicht wie jemand, der Sammelalben zu Hause hatte. Ich blätterte durch das Album und erwartete, Bilder von verschrumpelten Mumien darin zu finden oder eine zweischwänzige, zwischen den Seiten platt gedrückte Eidechse. Doch dieses Album enthielt eine andere Art von Sammlung – eine ganz normale .
Es enthielt Fotos von sämtlichen Schulausflügen, Thanksgiving-Feiern und Rechtschreibwettbewerben, an denen Sarah Jane jemals teilgenommen hatte, Geschichten, die sie im Kindergarten geschrieben, und Bilder, die sie in der vierten Klasse gemalt hatte. Mit Eins benotete Geschichtsarbeiten, Zeugnisse, sogar Trost-Aufkleber vom Zahnarzt.
»Jetzt schau dir das mal an!« Ich stieß SJ mit dem Ellenbogen an. Sie hielt die Luft an, als sie die Schnipsel aus ihrem Leben sah, die da vor ihr ausgebreitet lagen. Nun blätterte sie selbst die Seiten um und fuhr mit dem Finger über jede einzelne, als brauchte sie mindestens zwei Sinne, um zu erfassen, was sie da sah.
In dem Album befanden sich auch Fotos von SJs Mutter und von Noble zusammen mit seiner Frau – auf einem Boot, beim Angeln, winkend am Grand Canyon. Während SJ sich weiter über die Bilder beugte, zog ich eine Mappe heraus, die jemand hinten
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