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Der Schimmer des Ledger Kale

Der Schimmer des Ledger Kale

Titel: Der Schimmer des Ledger Kale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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Thema Zeit waren, fiel mir wieder ein, was meine zeitreisende Tante Jules bei der Hochzeit gesagt hatte, als Fishs tosender Schimmersturm die Birken auf der Waldwiese durchgerüttelt hatte: Solche hohen Bäume wachsen nicht über Nacht, müsst ihr wissen. Jedenfalls nicht, seit die letzte Beacham nicht mehr ist, die noch Talent besaß.
    Die letzte Beacham, die noch Talent besaß …
    Sarah Jane starrte immer noch auf die verblüffenden Fotos. Trotz ihrer Vorliebe für abgedrehte Geschichten war SJ ohne Wissen über Schimmertalente aufgewachsen – über Cousins und Cousinen, die verschwinden, Gedanken lesen oder Stürme und Blitze entfesseln konnten. Kein Wunder, dass sie eine Weile brauchte, um zwei und zwei zusammenzuzählen. Was Schimmerfamilien anging, fehlten ihr einfach die Grundlagen.
    Aber mir nicht. Und das Bild fügte sich rasch zusammen.
    Es sah ganz so aus, als wäre Summer Beacham Cabot diejenige gewesen, die die Birken auf der Waldwiese innerhalb von Sekunden aus dem Boden hatte sprießen lassen. Und ich wäre jede Wette eingegangen, dass auch die Birke neben dem Haus in Sundance auf sie zurückging. Und wenn Sarah Janes Mutter einen Schimmer gehabt hatte, dann bedeutete das, dass auch Sarah Jane einen hatte …
    Mich durchrieselte ein kalter Schauder bei dieser Aussicht, bis mich eine neue Erkenntnis traf. Eine noch viel unheimlichere als die Vorstellung, Sarah Jane könnte über irgendwelche Superkräfte verfügen. Was, wenn SJ meine Cousine war oder irgendwie anders mit mir verwandt war?
    Ich bekam eine Gänsehaut und stand schnell vom Boden auf. Ich hatte sie geküsst! Und darüber nachgedacht, es noch einmal zu tun!
    »Alles in Ordnung, Ledge?«, fragte SJ und erhob sich ebenfalls.
    Ich antwortete nicht. Ich konnte sie nur anstarren. Ich starrte Sarah Jane so lange an, bis es mir selbst so vorkam, als versuchte ich, durch sie hindurchzusehen, als versuchte ich, irgendeine Spur eines Schimmers an ihr zu finden oder irgendeine Art von Familienähnlichkeit: Oma Dollops Nase, Tante Jennys Augen, Fishs schiefes Grinsen. Als SJ mit der Hand vor meinem Gesicht herumwedelte, um meine Aufmerksamkeit zu erlangen, wich ich regelrecht vor ihr zurück, da ich plötzlich sicher war, dass es Unglück bringen würde, wenn wir noch einmal zu nah beieinanderstanden.
    »Äh … du bist doch dreizehn, oder?«, fragte ich und wich weiter zurück.
    »Ja, seit einem halben Jahr«, antwortete sie und beäugte mich misstrauisch, während sie das Album ihres Vaters in der einen und Onkel Autrys Schuldschein in der anderen Hand hielt. Ich konnte sehen, wie es in ihr arbeitete, auch wenn sie noch nicht darauf gekommen war, in welche Richtung meine Gedanken gingen. Als ich SJ vor dem Haus die Geheimnisse meiner Familie verraten hatte, hatte ich ihr nichts von den dreizehnten Geburtstagen erzählt. Den Teil hatte ich weggelassen.
    »Ist denn an deinem Geburtstag … irgendetwas … ähm … Superseltsames passiert?«
    SJ kniff die Augen zusammen.
    »Nein, nur das, was ich dir schon erzählt habe. Daddy wollte mich nicht rauslassen. Und an dem Tag hab ich dann mit der Zeitung angefangen. Worauf willst du hinaus, Ledge?«
    Ihre Schreiberei! Die große Überzeugungskraft von Sarah Janes Geschichten hatte mich in den letzten dreieinhalb Wochen förmlich angesprungen. Ich machte den Mund auf, um etwas zu sagen, um meinen Verdacht zu äußern, was SJs Schimmer anging. Aber ich kam nicht dazu.
    »Was zum Kuckuck treibt ihr denn hier, Kinder?« Sheriff Brown stand in der Tür; er hatte die Daumen in den Gürtel gehakt, das gezackte Sheriff-Abzeichen glänzte an seiner Brust.
    Jonas Brown starrte uns an. Dann betrachtete er mit düsterer Miene den aufgebrochenen Tresor. Der Mann sah aus, als wünschte er sich, er hätte sich an diesem Morgen krankgemeldet oder beschlossen, nicht zu reagieren, als ihn entweder der Fernalarm oder aber sein sechster Sinn hierher beordert hatte.
    Er nahm seine Daumen vom Gürtel, setzte den Hut ab und wischte sich mit dem Unterarm übers Gesicht. Ich steckte Omas Glas schnell in eine der großen Taschen meiner Cargoshorts. Sarah Jane schob das Sammelalbum zurück in den Tresor. Dann stopfte sie den Schuldschein, den sie gefunden hatte, hinten in meine Hose, was dazu führte, dass mir die Augen hervorquollen und ich tiefrot anlief.
    Als der Sheriff den Arm sinken ließ und uns wieder ansah, stand das Ende der Welt, meiner Welt, so klar und deutlich in seinem Gesicht geschrieben, als wäre es die

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