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Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. J. Kazinski
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Arbeit … und all das. Der Garten ist total verwildert. Du solltest mal die Blumen auf der Terrasse sehen, ich habe vergessen, sie zu gießen …«
    Dann unterbricht er sich: »Sag mal, ist es dir nicht zu warm, Silke? Sollen wir nicht reingehen?«
    Über Mutter redet er nie. Oder über das, was geschehen ist. Auch deshalb liebe ich ihn. Wenn er mich besucht, geht es nur um uns, nur um Papa und mich. Die beiden Übergebliebenen der Familie. Warum findet er niemanden, der zu ihm passt?, frage ich mich oft. Er sieht doch gut aus. Seine schwarzen Haare sind kräftig und schön, und er kann gut zuhören. Aber irgendetwas hält ihn zurück. Bin ich das? Vielleicht. Seine Situation ist aber auch nicht einfach, das ist klar: Seine Frau wurde ermordet, und jetzt steht er da mit einer Teenagertochter, die darauf besteht, kein Wort zu reden, anorektisch ist (das behaupten sie jedenfalls hier in der Klinik) und noch dazu fucking geisteskrank, weshalb sie die meiste Zeit in der Klapse ist und nur in die Luft starrt.
    »Hat sie schon Frühstück bekommen?«, höre ich Papa fragen, als er eine Schwester sieht.
    »Keine Ahnung. Aber es ist noch nicht abgeräumt worden, Sie können gern in die Küche gehen und etwas für sie holen.«
    Sie sehen mich an. Aber es bewegt mich nicht, Gegenstand ihrer Blicke zu sein. Ich habe mich daran gewöhnt, dass sie mich ansehen und über mich reden, als wäre ich gar nicht da. Sollen sie das doch tun, so offensichtlich, wie sie wollen. Es gibt keinen Grund, irgendetwas zurückzuhalten.
    »Komm, Schatz«, sagt Papa und nimmt meine Hand. »Wir gehen rein und holen uns was zu essen.«
    Wir stehen auf und gehen über die Wiese. Einer der Jungs hat angefangen, herumzuschreien und wild um sich zu treten. Ein paar Pfleger laufen zu ihm, und ich höre das Wort »Fixieren«. Wir gehen weiter, verschwinden durch die Tür, Papa und ich, und landen auf dem Flur, der mich immer an ein überbelichtetes Foto er innert. Die Luft ist trocken und warm. An den Wänden hängen Gemälde von Ovartaci, angeblich ausgeliehen von irgend einer psychiatrischen Klinik oben in Jütland. Es riecht nach Zimmerpflanzen: Palmen, Orchideen, Kakteen. Vater hält mich an der Hand, und einer der Pfleger, an dessen Namen ich mich nicht erinnern kann, grüßt uns. Ich kenne jeden hier in der Klinik, Papa auch. Ich betrachte das jetzt als mein Zuhause.
    ***
    Anfangs – in den ersten Jahren nach Mamas Tod – war ich nur zu Gesprächen und kurzen Aufenthalten hier. Damals dachten sie, ich würde darüber hinwegkommen, wenn sich der erste Schock gelegt hatte. Dass ich in der Lage sein würde, wieder ein normales Leben zu leben. Auch ich glaubte das damals. Die Polizei suchte nach dem Mörder, und ich rechnete damit, dass sie ihn finden würde, aber die Zeit verging, aus Monaten wurden Jahre, und an einem Nachmittag, an dem ich mit Vater auf dem Präsidium war, um mir Stimmen anzuhören, wurde mir bewusst, dass sie aufgegeben hatten oder dem Fall kaum noch Priorität einräumten. Und ich verstand sie. Etwas in mir verstand sie. Sie hatten neue Morde aufzuklären. Andere Arbeit, und wenn sie bei einem Fall, wie dem Mord an meiner Mutter, nicht weiterkamen, mussten sie andere Aufgaben höher gewichten.
    An diesem Tag hörte ich auf zu reden. Nein. Das ist nicht richtig. Ich hätte gerne, dass es so wäre. In Wahrheit wurde ich nach Mutters Tod immer stiller. Mehr und mehr. Das Reden kam mir vollkommen sinnlos vor. Was sollte ich noch sagen? Welche Worte konnten mir helfen? Und außerdem gab es mir Kraft, nicht zu reden. Sollte ich eines Tages wieder etwas sagen, würde ich das nur tun, um die Menschen aufzufordern, doch einmal die »Lösung des Schweigens« zu versuchen. Ich würde ihnen raten, im Kleinen zu beginnen. So wie ich. Eine Stunde. Oder einen halben Tag. Und auf die innere Stärke zu achten, die sich dabei aufbaut. Und dann weitet man das langsam aus. Bis man die vollständige Macht hat. Die Macht über sich selbst. Seit ich diese Macht über mich habe, war ich schon ein paarmal für längere Zeit in der Klinik. Wie oft genau, weiß ich nicht. In den letzten paar Jahren war ich fast ununterbrochen hier. Das letzte halbe Jahr am Stück. Jetzt wohne ich hier. In meiner Zelle. Eine Welt, die ich kontrollieren kann. Meine Welt.
    ***
    »Hier drinnen ist es ja fast genauso warm«, sagt Vater und stellt ein Tablett mit Brot, Saft und Käse auf den Tisch. »Sollen wir uns hierhin setzen, Schatz?« Er schiebt den Stuhl aus der Sonne, und

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