Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
Vom Netzwerk:
Sheldon hatte etwas in dieser Richtung angedeutet; darüber, dass sie ihre verdiente Strafe bekommen hatte – April wünschte, sie könnte sich an jedes Detail dieses verhängnisvollen Abends in seinem Haus erinnern, doch die Ereignisse waren nichts als eine wirre Abfolge von Bildern und Geräuschen. Dabei sollte man annehmen, dass jemand, der mit Benzin übergossen wird, keine Sekunde dieses Ereignisses jemals wieder vergessen wird, oder?
    April verlangsamte ihre Schritte, als die Friedhofstore in Sichtweite kamen. Ausnahmsweise standen sie weit offen, und im Hof luden ein paar Männer Stangen und Kisten von einem großen schwarzen Lastwagen. Sehr seltsam. Natürlich wurde der Friedhof nach wie vor genutzt; vielleicht wollte jemand ja die Totenwache hier abhalten. Einen Moment lang überlegte April hineinzuschlüpfen, verwarf den Gedanken jedoch wieder. Eine Begegnung mit Miss Leicester konnte sie jetzt nicht ertragen, und davon abgesehen – weshalb sollte sie hineingehen? Miss Leicester hatte völlig recht. Ihr Vater lag nicht mehr hier begraben, was hatte sie also im Westteil des Friedhofs noch zu suchen?
    Stattdessen bog sie nach links ab und gesellte sich zu einem Grüppchen Touristen vor dem östlichen Teil des Friedhofs. Sie kaufte eine Eintrittskarte und nahm sich einen Übersichtsplan vom Stapel. Die meisten Besucher zog es als Erstes zu der berühmten Karl-Marx-Statue, doch April nahm den Weg, der parallel zur Swain’s Lane verlief. Dabei stach ihr etwas ins Auge, das ihr von der anderen Seite des Zauns noch nie aufgefallen war: Je näher sich die Gräber an der Swain’s Laine befanden, umso gepflegter waren sie – kein Laub, kein Unkraut, die Namen auf den Grabsteinen problemlos lesbar – ganz im Gegensatz zu den Gräbern in der Mitte des Friedhofs. Dort waren die Steine teilweise windschief oder umgefallen, von dichtem Moos bedeckt oder von Efeu überwuchert. Es war wie eine Insel der Vergessenen, mit halb umgefallenen Bäumen und dicken Wurzeln, die quer über die Pfade verliefen; ein Dickicht, das keinerlei Licht und wärmende Sonnenstrahlen durchließ. Ziellos schlenderte April den Pfad entlang, wobei sie umgefallenen Grabsteinen oder einem quer über den Weg gestürzten Baum ausweichen musste. Schließlich fand sie eine alte, ebenfalls von dunkelgrünem Moos bedeckte Bank, setzte sich und zog ihr Telefon heraus.
    Hey, sitze gerade auf einer Bank auf dem Friedhof (Ostteil! Hat mich drei Pfund gekostet!) und denke an dich. Ich hoffe, es geht dir gut. Ruf mich an, sobald du dazu kommst, okay? A x
    Bestimmt würde auch diese SMS auf taube Ohren stoßen – genauso wie die anderen fünfzig SMS , die sie ihm seit der Party geschickt hatte. Aber selbst wenn ihre Kommunikation einseitig war, fühlte es sich zumindest so an, als stünde sie mit ihm in Kontakt. Und das war doch immerhin etwas, oder?
    Seufzend schob sie ihr Telefon in die Tasche und blickte über das dichte Blätterdach über ihr. Die Blätter färbten sich bereits rot und braun, obwohl es noch Sommer war – ein sichtbares Resultat der globalen Erwärmung. Schnaubend schüttelte April den Kopf. Wenn Davina recht hatte, scherte sich demnächst keiner mehr um die Umwelt, weil alle viel zu beschäftigt waren, ums nackte Überleben zu kämpfen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie noch geglaubt, dass die Vampirverschwörung von Ravenwood ausging und in erster Linie auf die Schüler abzielte – darauf, sie auf ihre Seite zu ziehen oder sich zumindest ihren Intellekt und ihren Einfluss zunutze zu machen. Doch inzwischen hatte sie begriffen, dass ihr Einfluss weit über die Mauern des Schulgebäudes hinausreichte und dass die Machtergreifung unmittelbar bevorstand. Ihr blieben keine Jahre mehr, um das Rätsel zu lösen, sondern höchstens Monate, Wochen oder nicht einmal das. Vielleicht war es auch bereits zu spät. Wichtige, einflussreiche Männer und Frauen – Politiker, Meinungsmacher aus den Medien, reiche Investoren, sie alle arbeiteten bereits auf das große Ziel hin: die Vampire aus der Dunkelheit ins Licht zu holen.
    Und was hatte April? Gerade einmal eine Handvoll Freunde. Und eine skrupellose Vampirin – bestenfalls.
    »Also du Genie, was brauchst du?«, flüsterte sie.
    Wieder zog sie ihr Handy heraus, scrollte durch die Nummern und drückte die Wahltaste, ehe sie es sich anders überlegen konnte.
    »Hallo?« In Elizabeth Holdens Stimme schwangen Argwohn und Verärgerung mit. Um ein Haar hätte April aufgelegt.
    »Hier spricht

Weitere Kostenlose Bücher