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Der schlafende Engel

Der schlafende Engel

Titel: Der schlafende Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia James
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geht?«
    April packte Caro am Arm und zog sie mit sich. »Shhh!«, zischte sie. »Was soll das?«
    »Diese blöde Kuh geht mir so was von auf die Nerven. Die halten sich alle für …«
    Sie verstummte abrupt, als sie um die Ecke bogen und die großen schwarzen Lettern an der Wand lasen:
    UMARME DIE DUNKELHEIT
    »Heilige Scheiße, was ist das denn?«, stieß Caro leise hervor und sah April an.
    »Ist das nicht wunderbar?«
    Sie fuhren herum und sahen Dr. Tame, der sie mit leuchtenden Augen beobachtet hatte.
    »Wunderbar?«, wiederholte April ungläubig. »Sollten Sie nicht den Hausmeister holen, damit er das Geschmiere wegmacht?«
    »Genau! Und herausfinden, wer das getan hat. Das ist doch Vandalismus, oder nicht?«
    Tame schüttelte den Kopf. »Eure altmodische Haltung ist beinahe rührend, Mädels. Aber was wir hier sehen, ist ein Ausdruck von Kreativität, nicht von Vandalismus. Der Beweis dafür, dass ein Freigeist seinen Gefühlen ungeniert Ausdruck verliehen hat. Und der Beweis dafür, dass meine Worte Wirkung zeigen – in Ravenwood gibt es keine Grenzen mehr.«
    »Wenn ich also ›Scheiß auf Ravenwood‹ auf die Tür schmiere, kriege ich ein Lob dafür?«, fragte Caro.
    »Nein, Caro, das wäre etwas ganz anderes«, erwiderte Tame. »Weil du dich damit nicht dem Geist der neuen Zeiten anpassen würdest. Wie gesagt – geistige Offenheit, ja, Negativismus, nein.«
    »Aber an ›Umarme die Dunkelheit‹ ist nichts Negatives, ja?«, hakte April nach.
    »Absolut nichts, April. Meiner Meinung nach ist diese Haltung sogar wichtig, wenn wir uns weiterentwickeln wollen. Wir müssen sowohl das Licht als auch den Schatten anerkennen, oder bist du anderer Meinung?«
    Verdammte Scheiße, der Typ ist ja komplett von der Rolle, dachte April.
    Tame trat vor, packte April am Arm und zog sie ein Stück den Korridor hinunter.
    »Ehrlich gesagt bin ich sogar froh, dass ich dich hier sehe, April«, sagte er, scheinbar ohne Aprils Schmerzenslaut zu bemerken. »Ich wollte mit dir über deine neue Funktion reden.«
    Sie blickte über die Schulter hinweg zu Caro, die jedoch nur mit den Achseln zuckte, ehe Tame April um die Ecke zog.
    »Nun, April«, sagte er. »Wie hat dein Großvater die Neuigkeit aufgenommen, dass du ab sofort Schulsprecherin bist?«
    »Er hat sich sehr gefreut«, antwortete April. Er war völlig aus dem Häuschen, aber das weißt du bestimmt sowieso längst , dachte sie.
    »Hm. Das ist gut. Sehr gut sogar.«
    April warf ihm einen Blick zu. Was hatte Tames plötzliches Interesse an Grandpa Thomas zu bedeuten? Und dann fiel der Groschen. Wie hatte sie bloß so naiv sein können? Grandpa war eng mit dem Schulbeirat verbandelt, von seinen Kontakten in die Politik und Wirtschaft ganz zu schweigen. Dr. Tame hatte April diese vermeintliche Ehre erwiesen, um bei ihrem Großvater Eindruck zu schinden. Und das Blöde war, dass es tatsächlich funktionierte.
    Tame führte sie in den vorderen Teil des Schulgebäudes. April fielen zwei Jungs auf, die sich vor der Toilette herumdrückten. Beim Anblick von Dr. Tame schlüpfte einer von ihnen eilig durch die Tür. April erkannte auf der Stelle, dass die beiden Schmiere standen, was auch Dr. Tame offenbar nicht entgangen war. Er ließ von April ab, marschierte hinüber und riss die Tür auf.
    »Gibt’s hier ein Problem, Gentlemen?«
    April, die ihm nicht in die Toilette folgen wollte, spähte über seine Schulter und sah zwei Jungs – ihre Großkotzigkeit und ihre tiefdunklen Augen verrieten auf den ersten Blick, dass sie zu den Blutsaugern gehörten – aus einer der Kabinen treten, dicht gefolgt von einem kleineren, verängstigt dreinblickenden Jungen, der hektisch an seinen Manschetten herumfummelte. Hatten sie etwa getrunken? Hier? In der Schule?
    »Gar keins, Sir«, antwortete einer von ihnen mit einem angedeuteten Lächeln. »Wir bereiten uns bloß auf die nächste Stunde vor.«
    »In Ravenwood drücken wir uns nicht in dunklen Ecken herum, Calvin«, sagte Tame. »Was habe ich euch darüber gesagt, euer Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, sondern aufrecht durchs Leben zu gehen und dem Rest der Welt zu zeigen, was ihr seid?«
    »Wie Sie meinen, Sir.« Calvin grinste.
    April blieb der Mund offen stehen – wollte Tame die Übeltäter einfach laufen lassen? Er musste doch wissen, was hier los war, oder zumindest, dass sie nichts Gutes im Schilde führten. Doch statt ihnen eine Runde Nachsitzen aufzubrummen, schien er ihnen sogar noch Mut zuzusprechen. Tame, für den

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