Der schlagende Beweis
visierte mit seinem Nachtglas wieder den Baumstamm an, als ein von oben bis unten schwarz gekleideter Mann vom Ufer aus hochgeklettert kam und die Tasche packte.
Chandler zog die Waffe. »FBI! Bleiben Sie stehen!«
Vom anderen Ufer kam ein Kugelhagel aus einer Automatik. Chandler ging zu Boden. Der Mann mit der Tasche floh das Ufer entlang im Wasser und nutzte die Salve als Deckung. Chandler h örte, wie die anderen Agenten das Feuer erwiderten. Er sprang auf und rannte ins eisige Wasser. Der Flüchtige erklomm plötzlich die Böschung und stürzte in den Wald, Chandler in kurzem Abstand hinterher. Es war schwierig, im dichten Unterholz voranzukommen. Der Agent stolperte über eine Wurzel und fiel zu Boden, als im selben Moment eine zweite Salve das Laub über seinem Kopf zerfetzte und ihn mit Blättern überschüttete.
Chandler kam auf die F üße, sobald der Schusswechsel vorbei war. Er hörte einen keuchenden Atem und die Geräusche von jemandem, der in vollem Lauf durchs Gebüsch prescht. Dann ertönte ein Schuss, gefolgt von einem Stöhnen, und einer der Scharfschützen schrie: »Er ist getroffen.«
Chandler rannte weiter, bis er auf eine Lichtung kam und beinahe in einen gro ßen, kräftigen Mann hineingelaufen wäre, der eine Skimaske trug und stark aus einer Beinwunde blutete. Der Mann versuchte, sich auf seinem verletzten Bein umzudrehen, und stolperte. Chandler riss ihn mit vollem Schwung zu Boden. Sekunden später setzte ein Würgegriff dem kurzen Kampf ein Ende. Inzwischen waren einige Agenten an Ort und Stelle und halfen, den Gefangenen unter Kontrolle zu bringen.
»Wo ist der andere?«, fragte Chandler, sobald er wieder Luft bekam.
»Unsere Leute sind hinter ihm her«, antwortete einer seiner Männer.
Chandler dachte an die Reisetasche. Er drehte sich einmal im Kreis und bat um eine Taschenlampe. Er lie ß den Lichtstrahl da, wo er gerade gekämpft hatte, über den Boden gleiten. »Wo ist das Lösegeld?«, fragte er den Gefangenen, der inzwischen Handschellen trug.
Ein Agent zog dem Mann die Maske vom Gesicht. Der Kerl, der vor ihm kniete, war etwa einen Meter achtzig gro ß. Sein Gesicht hatte die frische Farbe eines Menschen, der im Freien arbeitet, und seine roten Haare klebten ihm an der Stirn.
»Wo ist Patty Alvarez?«, fragte Chandler.
Der Mann sah mitgenommen aus, machte aber nicht den Eindruck, als ob er sich geschlagen gebe.
»Ich will nen Anwalt«, sagte er. »Ich sag so lange nix, wie ich nich mit nem Anwalt geredet hab.«
Chandler kniete sich neben dem Mann hin, packte ihn am Kinn und dr ückte ihm den Kopf hoch, sodass sie sich in die Augen sahen.
»Wenn Patty Alvarez nicht mehr lebt, dann erwartet dich die Todesstrafe«, flüsterte Chandler, sodass nur der Mann es hören konnte. »Wenn du dich jetzt kooperativ zeigst, kann ich noch was für dich tun. Verlange noch einmal einen Anwalt, und ich werde lächelnd zugucken, wenn du auf dem Stuhl sitzt und der Strom eingeschaltet wird.« Chandler ließ das Kinn des Mannes los, der die Augen abwandte. In diesem Moment trafen zwei Agenten keuchend auf der Lichtung ein. Sie wollten etwas sagen, doch Chandler hielt die Hand hoch und führte die beiden außer Hörweite des Gefangenen zur Seite.
»Eine halbe Meile stromaufwärts gibt es einen Wildpfad«, sagte der eine. »Wir sind ihm eine Meile weit gefolgt. Er trifft auf einen alten Waldweg, der auf keiner unserer Karten verzeichnet ist. Dort haben wir frische Reifenspuren in der Erde gefunden.«
Chandler fluchte. Der Komplize des Gefangenen hatte sich offenbar die Tasche geschnappt, als sie beide f ür ihn nicht zu sehen waren. Chandler schob sich an den Kollegen vorbei und ging wieder zu dem Gefangenen.
»Dein Komplize hat das Geld und ist verschwunden. Jetzt bist du dran, und ich werd nichts unversucht lassen, damit du die Höchststrafe kriegst, es sei denn, du hilfst uns hier und jetzt. Du hast eine Minute, um dich zu entscheiden.“
4
Martin Alvarez las aufmerksam die Zeugenaussage von Lester Dobbs, dem Mann, der kurz nach seiner Verhaftung in der N ähe des Rattlesnake Creek in einen Deal eingewilligt und die FBI-Agenten zu dem flachen Grab geführt hatte, in dem Patty Alvarez verscharrt worden war. Paul McCann wiederum, der Mann, der wegen des Mordes an Patty vor Gericht stand, hatte momentan an jemand anderem viel größeres Interesse als an Dobbs.
Melissa Arnold war bei dem Strafprozess vor dem Landgericht Laurel County gegen McCann Gerichtsschreiberin. Kein
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