Der schlagende Beweis
pechschwarzem Haar, auf ihn zu. Flynn vermutete, dass ihre physische Erscheinung und ihre offensichtliche ängstliche Nervosität unmittelbar auf ihr Zusammenleben mit seinem Mandanten zurückzuführen waren. Sie hatte schon zweimal die Scheidung eingereicht und sie wieder zurückgezogen, als Paul ihr versprach, künftig treu zu sein und sie nicht mehr zu schlagen. Joan arbeitete als Gene Arnolds Kanzleisekretärin, und sie hatte mit ihrem Gehalt und ihren Ersparnissen Flynns Vorschuss bestritten.
»Mr. Flynn«, sagte sie angespannt, »kann ich Sie kurz sprechen?«
»Natürlich, Joan.«
»Was halten Sie von Dobbs' Aussage?«
»Schwer zu sagen«, erwiderte Flynn ausweichend. Er hatte gelernt, dass Ehrlichkeit bei Joan nicht immer angebracht war. Sie war zerbrechlich wie ein Faberge-Ei. Seit der Festnahme ihres Mannes hatte sie sich die Nägel bis zur Fingerkuppe abgekaut und ein nervöses Zucken im linken Auge entwickelt.
»Sie glauben ihm doch nicht, oder?«
Flynn legte ihr zur Beruhigung die Hand auf die Schulter. »Paul schwört, dass er unschuldig ist, Joan. Ich bin sein Anwalt.«
Die Antwort schien sie zu beruhigen. Falls sie gemerkt hatte, dass die Antwort g änzlich an ihrer Frage vorbeiging, so hakte sie zumindest nicht nach.
»Ich werde auch als Zeugin aufgerufen, nicht?«, fragte sie zum tausendsten Mal.
»Natürlich.«
»Er war angeln. Ich hab gesehen, wie er vor Sonnenaufgang weggefahren ist. Er hatte seine ganze Angelausrüstung im Van.«
»Das wird Paul zweifellos helfen«, sagte Flynn mit sanfter Stimme. »Und das gerichtsmedizinische Labor hat in Pauls Van keinerlei Spuren von Mrs. Alvarez gefunden.«
Auch das L ösegeld war nie aufgetaucht. Und die Spuren auf dem Waldweg stammten von einem gestohlenen Auto, das einige Tage später in einem anderen County stehen gelassen wurde.
»Ich habe Angst, Mr. Flynn. Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn Paul ins Gef ängnis kommt.« Sie sah zur Seite. »Es ist nicht leicht, mit ihm zu leben. Sie wissen, dass er mich geschlagen und betrogen hat. Sie wissen das.«
»Ich weiß, Joan.«
»Aber er kann so lieb sein.«
An der Art, wie sie das sagte, merkte Flynn, dass sie sich mindestens so sehr selbst davon zu überzeugen suchte wie ihn.
»An dem Abend, als er mir den Heiratsantrag machte, ist er mit mir nach Bishop's Point rausgefahren. Wir waren allein. Es war Vollmond, und der Himmel war sternenübersät. Er sagte, er würde am liebsten für immer mit mir so dasitzen. Ich glaube, das hat er wirklich so gemeint. Es wäre vielleicht alles gut gegangen mit uns, wenn wir einfach dort geblieben wären.«
Joans Schultern zuckten, als sie zu schluchzen begann. Flynn schloss sie in seine Arme.
»Das wird schon«, sagte er, bevor er sie losließ. Er hielt ihr ein Taschentuch hin, damit sie sich die Tränen abtrocknen konnte. Als Joan es ihm zurückgab, versuchte sie zu lächeln, doch sie verzog nur die Lippen und musste ein erneutes Schluchzen unterdrücken. Flynn legte ihr noch einmal die Hand auf die Schulter.
»Zum Henker damit, Joan! Der Prozess ist in ein, zwei Tagen vorbei.«
»Ich versuch, mich zusammenzureißen«, sagte sie, lächelte tapfer und verließ zu Flynns größter Erleichterung den Saal.
Als Flynn endlich um halb sechs in sein Kanzleib üro kam, war seine Sekretärin schon gegangen. Er holte gerade seine Prozessunterlagen aus der Aktentasche, als Melissa Arnold leise an seine Bürotür klopfte und er unwillkürlich zusammenzuckte.
»Tut mir Leid, wenn ich Sie erschreckt habe, Mr. Flynn«, sagte Melissa mit ironischem Unterton. Sie lehnte sich mit der H üfte gegen den Türpfosten. »Ich glaube, Sie wollten die Abfassung der täglichen Abschrift von Lester Dobbs' Zeugenaussage besprechen.«
»Ja, in der Tat, Mrs. Arnold«, antwortete Flynn nervös. Es war ihm unmöglich, Haltung zu bewahren, wenn er mit Gene Arnolds Frau allein war. »Wollen Sie nicht die Tür zumachen und reinkommen?«
»Eine tägliche Abschrift anzufertigen bedeutet harte Arbeit«, sagte Melissa, während sie zu Flynn herüberkam. »Ich muss Überstunden machen, und man fühlt sich dabei so einsam.«
»Vielleicht kann ich zur Lösung des Problems beitragen«, sagte Flynn.
Melissa dr ückte sich an ihn und brachte ihn mit ihren Lippen zum Schweigen. Flynn fasste ihren Rocksaum und schob ihn hoch, bis er seine Hände an ihrem Seidenschlüpfer hatte. Kurz darauf waren sie auf der Couch und zerrten sich gegenseitig die Kleider vom Leib.
7
Beim Schlusspl ädoyer
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