Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schlagende Beweis

Der schlagende Beweis

Titel: Der schlagende Beweis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phillip Margolin
Vom Netzwerk:
einem Fotogeschäft antreffen. Dort war alles voll: eine schwangere Frau mit ihrem Kind, eine Hispanofamilie, ein hübscher, etwa zwölfjähriger Blondschopf in einem übergroßen Spiderman-Sweatshirt. Clarence tauchte aus dem Nichts auf, und unsere Jungs setzten sich in Bewegung, um ihn einzukesseln. Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes standen zwei schwarze Teenager in Oakland-Raiders-Klamotten vor der Eingangstür eines CD-Shops und beobachteten das Treiben. Ich sah im Nachbargeschäft ins Schaufenster. Kaum hatten die beiden Clarence entdeckt, zogen sie ihre Selbstlader.«
    Kate sch üttelte langsam den Kopf.
    »Ich schoss dem ersten in die Brust. Er kippte zur Seite über den Typen neben ihm, der den Finger am Abzug einer Uzi hatte. Er fiel vornüber und ließ einen Kugelhagel in die Menge los. Eine Mutter und ihre Tochter fielen zu Boden, und einer unserer Männer war getroffen. Es brach eine totale Panik aus, und jeder suchte irgendwo Deckung. Die Menge hatte Clarence von unseren Jungs getrennt, und er machte sich auf den Weg zum nächsten Ausgang. Ich folgte ihm. Auf einmal sah ich, wie der blonde Junge im Spiderman-Sweater sich ihm dicht an die Fersen h ängte. Als sie fast am Ausgang sind, sagt der Junge etwas, Clarence bleibt stehen und dreht sich um. Ich hatte ihn fast eingeholt, als ich das Loch in seiner Stirn sah.«
    Kate ber ührte eine Stelle oberhalb ihres rechten Auges. »Wer hat ihn erschossen?«
    »Dieser verfluchte Junge. Er gehörte zu den Brüdern in den Oakland-Raiders-Klamotten. Später fanden wir heraus, dass der Blondschopf nicht zum ersten Mal getroffen hatte.« Kate schüttelte den Kopf, als könne sie das alles immer noch nicht fassen. »Er war zwölf, und er hat es für zwei Baggies getan.«
    Sie schwieg, leerte ihr Glas und schenkte wieder ein.
    »Ich dachte, jemand hinter mir habe Clarence getötet. Ich kam nicht auf die Idee, dass es dieses Kind gewesen sein könnte, bis der Junge auch auf mich schoss. Ich war so schockiert, dass ich mich nicht vom Fleck rührte. Dann zielte er noch einmal, und ich drückte ab. Als die anderen Kollegen dazukamen, waren sämtliche Glasscheiben aus der Eingangstür herausgeflogen, der Junge lag in einer Blutlache und mit zerschmetterter Brust auf dem Boden, und ich stand über ihm und hatte den Finger immer noch am Abzug, obwohl ich keine Kugel mehr in meiner Pistole hatte.«
    »Wieso konntest du überhaupt noch stehen?«, fragte Daniel, dem Kates Geschichte Respekt einflößte.
    »Im Fernsehen fliegen die Leute durch die Luft, wenn sie einen Schuss abbekommen, oder sie fallen hin und sterben. Im wirklichen Leben sieht es anders aus. Ich hab von Schießereien gehört, bei denen die Typen einen Schuss nach dem anderen eingesteckt und immer wieder zurückgeschossen haben. Selbst mit einem Herzschuss kann jemand noch eine Minute lang etwas tun, bevor er verblutet und bewusstlos wird. Mir war nicht mal klar, dass ich getroffen war, bis ich das Blut sah. Erst da bin ich zusammengebrochen. «
    »Mein Gott, das ist unglaublich.«
    »Der Staatsanwalt sah das ganz anders«, schloss Kate bitter. »Und die Presse genauso. Sie nannten die Schießerei das Feiertagsmassaker .« Sie sah Daniel an. »Sie brauchten einen Prügelknaben, also musste ich herhalten. Ich hatte Clarence verloren und ich hatte einen kleinen Jungen erschossen. Der Presse war es egal, dass dieses Kind ein gedungener Killer war. Ich war entbehrlich. Ich hätte mich wehren können, aber ich hatte die Nase voll und hab gekündigt.«
    »Klingt für mich so, als hättest du dir nichts vorzuwerfen gehabt.«
    Kate l ächelte bitter. »Ich habe kein schlechtes Gewissen. Hatte ich von Anfang an nicht. Nach der Schießerei musste ich zu einem Psychologen. Das war so üblich im Dezernat. Er hat gesagt, es sei normal, dass man Schuldgefühle hat, selbst wenn man rechtens geschossen hat, aber ich habe mich nie schuldig gefühlt, und das machte mir irgendwie Angst.«
    »Und wie war das heute Abend?«
    Kate sah Daniel gerade ins Gesicht. »Willst du es wirklich wissen?«
    »Sicher.«
    »Ich hab mich phantastisch gefühlt. Mein Motor ist jede Sekunde, die ich geschossen habe, auf Hochtouren gelaufen.«
    »Das kommt vom Adrenalin.«
    Kate sch üttelte den Kopf. »Ich weiß, wie sich Adrenalin anfühlt. Das war was anderes. Ich war high wie nie zuvor. Und was sagt dir das über mich?“
    »Es sagt mir, du bist zu streng mit dir. Hast du vergessen, dass du mir das Leben gerettet hast? Du bist meine

Weitere Kostenlose Bücher