Der schlaue Pate
kam zu sich und sah ihn an.
»Karras ist ein krasser Unsympath. Ich erzähle gleich, was ich über ihn gefunden habe. Aber Baginski … ich weiß nicht mehr so genau. Wir selber haben drei Serienmörder enttarnt, auf die dieses ganze APS -Zeug auch nicht zutraf. Ausnahmen gibt es immer, haben Sie selber gestern gesagt, Herr Professor Rind.«
»Ich habe nur der Frau Kollegin zugestimmt«, erwiderte der Professor freundlich. »Aber natürlich, wir Psychiater und Psychologen können noch so viel, nun, hm, diagnostizieren, klassifizieren und therapieren, sämtliche Varianten der menschlichen Psyche können wir ebenso wenig erfassen, wie wir in sämtliche Tiefen vordringen können. Aber sagen Sie mal, meine liebe Desirée, Sie waren doch fast immer dabei: Ist Ihnen denn irgendetwas an ihm aufgefallen, was es möglich erscheinen ließe, unser Pa… äh, Klient könnte dieser gesuchte Serienmörder sein? Immer angenommen natürlich, hm, es gibt ihn überhaupt?«
Desirée zögerte. »Was immer er sonst noch ist, er ist auf jeden Fall ein toller Schauspieler.«
Rind zündete nachdenklich die Pfeife wieder an. Prinz musterte seine Tochter abwartend, Ingrid und Ollie hoben die Brauen.
»Wieso?«, fragte Andreas, als würde ihn das unangenehm berühren.
»Du hast ihn selbst gelobt, wie toll sein Tränenausbruch vor Gericht war, als er sagte, er sei mitschuldig an Ellens Tod, seine Tätigkeit habe ihre Ermordung ausgelöst. Aber da wusste er schon, dass der schlaue Pate es gar nicht war.«
»Das stimmt«, sagte Ingrid. »Ich dachte auch, das macht er aber klasse.«
Desirée wandte sich an Rind. »Ich habe irgendwo gelesen, Psychopathen, ähm, Leute mit diesem APS , besonders Serienmörder, könnten sehr intelligent sein, sich gesellig und sogar charmant geben. Sie können sogar im Licht der Öffentlichkeit stehen und andere Leute hervorragend manipulieren. Ich weiß nicht … Ich bin nicht mehr sicher, ob uns dieser Mensch nicht die ganze Zeit eingewickelt hat.«
Rind schüttelte den Kopf. »Wenn man so jemanden auf der, nun, persönlichen Ebene kennenlernt, zeigt sich seine antisoziale Persönlichkeitsstörung sehr schnell. In Lügen, Widersprüchlichkeiten in seiner Biografie, mangelnder Selbstbeherrschung und einem Gewissen, das nur situationsbedingt funktioniert. Wir haben ihn in vieler Hinsicht wahrscheinlich persönlicher kennengelernt, als selbst seine Frau und Ellen Kaiser ihn kannten. Glauben Sie mir, liebe Desirée, er mag ein guter Schauspieler sein, aber er ist kein APS -Delinquent. Ganz sicher. Das wäre, nun, hm, mir auf keinen Fall entgangen!«
Er war laut geworden, sog hektisch an seiner Pfeife, um sich zu beruhigen.
Desirée ließ nicht locker. »Er erzählt uns sein ganzes Liebesleben; nur dass er in Kontaktbörsen Frauen sucht, lässt er weg, bis es um die Fotos geht. Er hat uns beide, Herr Professor, mit seiner Geschichte so gefesselt, dass wir nie nach anderen Frauen gefragt haben. Er hat …« Sie unterbrach sich, suchte in dem Ordner und zog ein paar Fotos aus einer Klarsichtmappe. »Er hat beiläufig von Fotos geredet, die sie damals auf dem Internat machten. Die hier hab ich in Melsungen gefunden.«
Es waren die Aktbilder von Ellen und das von Baginski mit der Kamera.
»Na ja«, meinte Prinz zurückhaltend, während die Fotos von Hand zu Hand gingen. »Nacktaufnahmen von ihr hätte ich vielleicht auch für mich behalten.«
»Und was ist das da, womit sie ihn fotografiert hat? Eine alte Filmkamera?«
Ollie studierte das Bild. »Super 8. Sieht aus wie eine Beaulieu Multispeed. Wahrscheinlich Ende der Siebziger hergestellt, damals verdammt teuer, semiprofessionell. Damit gedrehte Filme bloß eins zu eins abzuspulen wäre die reinste Geldverschwendung gewesen. Um anständig geschnittene Filme herzustellen, brauchte man noch einen Filmbetrachter, ein Schneidegerät, ein beleuchtetes Klemmbrett zum Sortieren und eine Klebepresse. Und dann natürlich auch einen guten Projektor und eine Leinwand. Heute graue Steinzeit, aber noch in den Achtzigern war das State of the Art, bis es von Video abgelöst wurde. Steven Spielberg hat als Junge mit einem früheren Gerät desselben Herstellers angefangen. So was ließen sich Jungs schenken, die davon träumten, selbst mal große Filmemacher zu werden.«
»In seinem Haus«, sagte Desirée, »gibt es jede Menge Bücher über Film, die meisten auf Englisch. Nicht nur Fachbücher, wie man Filme dreht und schneidet, auch Biografien berühmter
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