Der schlaue Pate
Therme, wo es steil und kurvig wird«, sagte Erich.
Die letzten Meter bis zum Schloss verliefen in Serpentinen.
»Weiter, aber verlier ihn nicht aus dem Rückspiegel.« Endlich konnte Prinz in die Allee biegen. Er konnte nur vermuten, dass die roten Rücklichter weit vor ihnen zum letzten Wagen des Konvois gehörten.
»Sie biegen hinter der Habichtswald-Klinik links ab«, sagte Erich. »Ich sehe ihn nicht mehr.«
»Ja, ich hab’s gesehen.« Prinz gab Gas. »Dreh um, aber fahr erst hinter mir in die Straße.« Als Prinz abbog, waren keine roten Rücklichter vor ihnen zu sehen. Die Straße führte am Park entlang, links bogen mehrere schmale Sträßchen ab, die erste führte zum Restaurant Kalinka, das jetzt leer stand. Nirgends Rücklichter. Prinz fuhr geradeaus. Dann sahen sie den Citroën rückwärts in eine Garage setzen. Die beiden Golfs parkten am Straßenrand vor und hinter der Garage.
Prinz glitt vorbei. »Erich, stopp! Jörg, stopp. Wir wissen, wo er ist.« Zu Ollie meinte er: »Das hätten wir uns auch gleich denken können.«
Es war die frühere Villa von Boris Tews, in die sie im letzten Dezember eingebrochen waren.
Hinter der nächsten Kurve hielt er an.
»Und was«, fragte Ollie, »hast du jetzt vor?«
»Ganz einfach.« Prinz grinste. »Klingeln.«
Als Prinz gemächlich durch den Regen auf das Haus zuging, war Erich bereits vorbeigefahren und hatte gemeldet, dass niemand mehr in den beiden Wagen saß und die Leibwächter draußen nicht zu sehen waren. Jetzt stand er in der nächsten Querstraße und holte die Uzi aus dem Kasten unterm Sitz. Der Volvo mit Jörg und Dirk und den Sturmgewehren hielt gerade gegenüber der Villa. Ollie verschwand ein paar Schritte hinter Prinz hinter einem Baum und zückte seine Beretta.
Prinz trug wieder die schusssichere Jacke und die Beretta in einer extra dafür vorgesehenen Innentasche. Er verschwand hinter der hohen Hecke, die die Villa umgab, trat auf die Eingangstür zu, blieb einen Augenblick stehen und musterte das Haus. Hinter einigen Fenstern brannte Licht. Er machte einen weiteren Schritt. Der Bewegungsmelder flammte auf, die Kamera über der Tür richtete sich auf ihn. Er setzte ein Lächeln auf und klingelte. Die Tür wurde sofort aufgemacht, und eine Frau in den Sechzigern stand vor ihm, die sehr schlank und nicht sehr groß war, ihr graues Haar streng zurückgebunden trug, aber ein auf eigenartige Weise anziehendes Gesicht hatte. Sie trug den üblichen eleganten Hosenanzug der Geschäftsfrauen.
»Prinz, nehme ich an«, sagte sie auf Deutsch mit kaum vernehmbarem Akzent.
»Irina Pawlowna Sarnizyna, nehme ich an«, erwiderte Prinz und nickte leicht.
Die Frau setzte ein überraschend freundliches Lächeln auf und streckte ihre Hand aus.
»Erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte die Sicherheitschefin des schlauen Paten, die angeblich mal die beste Profikillerin des KGB gewesen war. »Kommen Sie herein ins Trockne. Dieses Wetter ist ja entsetzlich. Er erwartet Sie bereits.«
Sie zog ihn regelrecht hinein und berührte beiläufig seine Brust, genau da, wo die Waffe steckte.
Das Innere der Villa schien sich nicht groß verändert zu haben, alle Möbel waren noch an ihrem Platz. In der Tür zum Wohnzimmer standen zwei der Leibwächter und musterten Prinz mit ausdruckslosen Gesichtern. Einer sagte etwas auf Russisch.
Sarnizyna erwiderte etwas, offenbar verneinend. Noch immer lächelnd fuhr sie auf Deutsch fort: »Sie haben eine .22er Beretta, die kaum Lärm macht, aber mit der Sie nur auf kürzeste Distanz etwas ausrichten können.«
»Die Israelis sollen sehr effektiv damit sein.«
»Das ist richtig, doch Sie sind nicht besonders schnell mit der Waffe und ein miserabler Schütze. Sie sollten mehr üben, aber Sie finden, dass man sowieso etwas falsch gemacht hat, wenn Schusswaffen zum Einsatz kommen. Wissen Sie was? Genau dieser Ansicht sind wir auch.« Sie bedeutete den Leibwächtern, beiseitezutreten, und ging an ihm vorbei. »Also behalten Sie das Ding, wenn Sie sich damit wohler fühlen. Ihre bewaffneten Leute draußen können sich entspannen.« Sie blickte zu seinem Kragen, unter dem das Mikro nicht zu sehen war. »Ich weiß, dass das Mikrofon an ist. Lassen Sie es ruhig an. Und nun folgen Sie mir bitte.«
Er betrat das Wohnzimmer hinter ihr. Der schlaue Pate rekelte sich in einem Ledersessel und paffte, wie um ein Klischee zu bestätigen, an einer dicken Zigarre. Er grinste aus wulstigen Lippen, deutete auf den Sessel gegenüber,
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