Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
zurückziehe. Schließlich sanken sie erschöpft zu Boden.
„Es hilft nichts, wir müssen umkehren”, seufzte Charlie.
Als sie sich umwandten, gingen ihre Beine wie von selbst, ihre Schritte wurden immer
schneller, und dann mußten sie richtig laufen. Nur mit Mühe konnten sie vor dem Stein
haltmachen.
„Mir scheint, der Stein hält uns fest”, sagte der Seemann heiser.
Elli erschauerte.
„Wir wollen aber nicht verzweifeln”, fuhr Charlie fort. „Laß uns überlegen, vielleicht
gelingt es uns doch, mit Gingemas Hexerei fertig zu werden.”
Es war ein qualvoller Tag. Mehrmals versuchten die Wanderer, vom Stein loszukommen,
bald im Krebsgang, bald auf allen vieren. Doch vergeblich! Der Zauber war nicht zu
brechen, und vom ungleichen Kampf erschöpft, kehrten Onkel und Nichte zum Karren
zurück.
Die Mittag- und Abendration wurde auf die Hälfte gekürzt.
„Je länger wir uns halten, desto mehr Aussicht haben wir, daß uns irgendein Zufall hilft”,
sagte Charlie. „Deshalb müssen wir den Gürtel enger schnallen.”
Der nächste Morgen brachte nichts Neues. Sie versuchten erneut, dem Stein zu entrinnen,
mußten jedoch wieder umkehren … Elli war es aufgefallen, daß die Krähe in ihrem Bauer
unruhig hin und her lief und andauernd krächzte. Es war, als wollte sie sagen: ,Laßt mich
frei! Laßt mich ‘raus!’
„Onkel Charlie, wir wollen das Bauer öffnen! Schau nur, wie der arme Vogel sich quält!”
schlug Elli vor.
„Der arme Vogel!” knurrte der Seemann. „Er allein ist an unserem Unglück schuld, und
jetzt will er sich davonmachen!”
„Onkelchen, tu doch nicht so! Du hast ja ein gutes Herz!”
Charlie öffnete das Bauer, nahm die Krähe in die Hand und warf sie empor:
„Flieg, tückischer Vogel, falls dich der Zauberfelsen nicht festhält!”
Die Krähe setzte sich auf Ellis Schulter und krächzte ihr etwas ins Ohr. Dann schwang sie
sich mit leichtem Flügelschlag in die Lüfte und verschwand in der Ferne. Der Seemann
staunte:
„Bei allen Zauberern und Hexen, sie steuert leicht ihren Kurs! Aber wie kommt es bloß,
daß der Stein sie nicht zurückhält`’”
Elli dachte einen Augenblick nach und sagte:
„Warum soll er sie auch halten, wo sie doch aus dem Wunderland ist!”
Charlie schmunzelte, während das Mädchen fortfuhr:
„Mir scheint, die Krähe wollte uns sagen, wir sollen die Hoffnung nicht aufgeben.”
„Schon möglich.”
Der Lebensmittel- und vor allem der Wasservorrat verringerten sich zusehends. Die heiße
Wüstenluft verursachte schrecklichen Durst. Charlie bemühte sich, die Rationen
einzuschränken, aber Elli bat immer wieder so inständig um einen Schluck Wasser, daß der
alte Seemann, dessen Herz sich vor Mitleid verkrampfte, es ihr nicht abschlagen konnte.
Und wenn sie mit Wonne getrunken hatte, machte Totoschka Männchen, blickte zu Charlie
empor und wedelte mit dem Schwanz. Der Seemann gab auch ihm zu trinken.
Während Charlie die Rationen für Elli und Totoschka erhöhte, kürzte er die seinen. Er
wurde immer magerer, sein Gesicht fiel ein, und die Haut bedeckte sich mit zahllosen
tiefen Runzeln.
DIE RETTUNG
Am siebenten Tag war das Fäßchen leer, gegen Mittag gab es keinen Tropfen Wasser
mehr. Elli hatte vor Erschöpfung das Bewußtsein verloren, der abgehärtete Seemann aber
hielt sich. Als er sich einmal unter Aufbietung seines ganzen Willens aufraffte, um
Ausschau zu halten, glaubte er in der Ferne einen schwarzen Punkt zu sehen, der sich zu
bewegen schien. Charlie rieb sich die Augen … Was konnte sich in dieser schrecklichen
toten Wüste schon bewegen? … Aber der Punkt wuchs und kam immer näher.
„Die Krähe, bei allen Klippen von Kuru-Kusu, es ist die Krähe!” schrie Charlie mit einer
Kraft, die er sich nicht mehr zugetraut hatte.
Der alte Seemann wußte natürlich nicht, was ihnen die Rückkehr der Krähe nützen würde,
fühlte aber, daß sie nicht ohne Grund kam. Jetzt war sie schon ganze nahe. Charlie sah, daß
sie schwer mit den Flügeln arbeitete, um sich in der Luft zu halten.
Es war, als ob sie etwas zur Erde drückte. Doch was konnte das sein? Da entdeckte das
scharfe Auge des Seemanns eine riesige Weintraube im Schnabel der Krähe.
„Trauben!” schrie Charlie freudig. „Elli, steh auf, wir sind gerettet!”
Elli aber hörte nichts.
Da setzte sich die Krähe schon neben den Karren in den Sand. Charlie nahm ein paar
Trauben und zerdrückte sie zwischen den halbgeöffneten Lippen Ellis. Der kühle Saft rann
ihr in
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