Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
richtig”, mischte sich der Scheuch ein. „Wir tun besser
daran, den Feind auf offenem Feld zu begegnen, sonst könnte er sich in seinem Schloß
verrammeln und wir müßten es belagern, was gar nicht so einfach ist. Ich weißes aus
eigener Erfahrung.”
„Und wenn sich Enkin Fled nicht auf offenem Felde schlagen will?” fragte Charlie Black,
der zum Stabschef ernannt worden war.
„Wir werden ein Schreiben an ihn richten, das wird ihn dazu veranlassen”, versicherte der
Feldmarschall „Ich kenne Fled, er ist schrecklich eitel.”
Der Oberbefehlshaber und seine Gehilfen setzten sich hin, die Herausforderung
abzufassen. Sie stritten lange über den Wortlaut, doch schließlich einigten sie sich und
schrieben ihn auf ein Blatt Papier, das sich bei Charlie Black gefunden hatte. Kaggi-Karr
brach, den Brief im Schnabel, zum Violetten Schloß auf.
Zum hundertsten Male wohl hängte Enkin Fled seine Waffen um, als die Köchin Fregosa
eintrat.
„Herr Statthalter”, sagte sie, „ein Perla … Parlai … Perlaturmar wünscht Euch zu
sprechen.”
„Wer?” brüllte Fled, ungehalten über die Störung.
„Ich hab’s nicht verstanden”, sagte Fregosa zurückweichend. „Aber jemand will Euch
sprechen.”
„Laß ihn rein!” befahl der Statthalter und nahm vorsichtshalber einen scharfen Dolch in die
Hand.
Die Tür öffnete sich, und in den Saal stelzte mit wichtiger Miene die Krähe. Fled begann
zu lachen.
„Ha-ha-ha, du bist also der Perlamantur?”
,,Verzeihung”, entgegnete Kaggi-Karr eisig, flog auf den Tisch und legte den Brief neben
sich. „Ich bin der Parlamentär des Oberbefehlshabers Din Gior.”
Enkin war über die klare Sprache der Krähe so verblüfft, daß er den Vogel mit „Sie”
anzureden begann.
„Aber hören Sie mal, wer ist denn dieser Oberbefehlshaber Din Gior? Ich kenne nur eine
Armee, die meines Herrschers, des mächtigen Königs Urfin I., deren Befehlshaber General
Lan Pirot ist.”
„Lest dieses Ultimatum, und Ihr werdet alles verstehen”, erwiderte Kaggi-Karr kurz und
flog auf den Schrank, wo sie sich sicherer fühlte.
Enkin entfaltete das Blatt, und als er zu lesen begann, bekam er einen roten Kopf. Das
Schreiben lautete:
,,ULTIMATUM”
Wir, die Unterzeichner, der Weise Scheuch, Herrscher der Smaragdenstadt, und
Feldmarschall Din Gior, der Oberbefehlshaber der Befreiungsarmee, stellen Euch, Enkin
Fled, Statthalter des sogenannten Königs Urfin I, anheim, Eure Soldaten zu entwaffnen
und uns das Violette Schloß kampflos zu übergeben. Tut Ihr es, wird die Strafe für den von
Euch begangenen Hochverrat lediglich darin bestehen, daß Ihr zehn Jahre lang Steine
zerkleinern und die Straßen im Lande der Zwinkerer pflastern werdet.
Lehnt Ihr aber dieses für Euch vorteilhafte Angebot ab, so fordern wir Euch auf, uns auf
offenem Feld entgegenzutreten. Obwohl wir Euren Streitkräften nur einen einzigen
Kämpfer entgegenzustellen haben, glauben wir fest an unseren Sieg, denn wir kämpfen für
die Freiheit, gegen Euren Herrscher, den Thronräuber, der sich König Urfin nennt.
IM AUFTRAG DES WEISEN SCHEUCHS
UND DES FELDMARSCHALLS DIN GIOR
GEZEICHNET VON CHARLIE BLACK.”
Enkin wand sich vor Lachen.
„Hört! Hört! Eine Armee! Aus einem einzigen Soldaten! Ein Soldat und ein Haufen von
Befehlshabern! Und dabei bilden sie sich ein, mich, den Statthalter Seiner Majestät, des
mächtigen Königs Urfin I, schlagen zu können! So eine Frechheit! Mir, Enkin Fled,
anheimzustellen, ich soll mich ergeben und Straßen pflastern gehen. Ha-ha-ha! He, Sie!
Parlamentär! Bestellen Sie Ihren Herren, daß ich ihnen auf offenem Feld entgegentreten,
sie zerschmettern und gefangennehmen werde. Ja, sie sollen bei mir Steine zerkleinern und
die Straßen pflastern!”
Darauf hatte Kaggi-Karr nur gewartet. Sie verließ augenblicklich das Schloß, während der
Statthalter den Unteroffizier Elved zu sich rief und ihm befahl, seine Soldaten in
Gefechtsordnung aufzustellen.
Der Eiserne Holzfäller erwartete den Feind auf offenem Feld, etwa eine Meile vor dem
Violetten Schloß. Er stand ungezwungen da, den Hammer bei Fuß, und sah durchaus nicht
wie ein gefährlicher Gegner aus. Elli, Totoschka, der Scheuch, Charlie Black, Din Gior
und Faramant befanden sich unbewaffnet in einiger Entfernung. Allerdings hielt der
Seemann sein Lasso wurfbereit.
Der Tapfere Löwe, dessen Fell vom gelben Sand nicht zu unterscheiden war, hatte sich
hinter einem Felsen verborgen und war bereit
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