Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
den Platz erreichten, von dem aus Elli und
der Seemann gestern noch das sonderbare Leben der Erzgräber beobachtet hatten, stieß
Charlie einen Ruf des Staunens aus: Die Öffnung war verschwunden. Die Erzgräber hatten
einen runden Stein in das Loch hineingetrieben und nicht einmal eine kleine Ritze
freigelassen.
Vom Sechsfüßer war nichts zu sehen. Hatte er sich nach dem gestrigen Kampf in einen
Winkel des Labyrinths verkrochen, oder waren die unterirdischen Erzgräber inzwischen
dagewesen und hatten ihn gefangengenommen?
Aber wer konnte wissen, ob in den finsteren unterirdischen Gängen nicht noch andere
Sechsfüßer lauerten?
Der Seemann war indessen unbesorgt, wußte er doch, daß der Eiserne Holzfäller im
Handumdrehen mit jedem Ungeheuer fertig werden würde. Freilich befürchtete er eine
Falle, die die Erzgräber ihnen bereitet haben konnten. Erst am nächsten Morgen, als er Elli,
Din Gior und Faramant erblickte, atmete er erleichtert auf.
Vor allem mußte der Scheuch wieder instand gesetzt werden, denn seine Kleider waren
zerrissen und aus allen Löchern kam faules Stroh zum Vorschein. Seine Gesichtszüge
waren verwaschen, und auch das Gehirn hatte unter der Feuchtigkeit des Kellers stark
gelitten.
Elli machte sich an die Arbeit. Sie trennte dem Scheuch den Kopf ab und hing ihn an einen
hohen Ast zum Trocknen, was bei dem lauen Wind und der heißen Sonne sehr schnell
geschah. Dann flickte das Mädchen das Kleid des Strohmanns, wusch es im Bach und
breitete es auf den Büschen aus.
Als alles trocken war, stopfte Elli den Rock, die Hosen und die Stiefel mit frischem Stroh
aus, das Faramant von einem Nachbarfeld geholt hatte, und setzte den Kopf mit dem
durchlüfteten Gehirn auf seine alte Stelle. Dann nahm sie Farbe und Pinsel und begann die
Augen aufzumalen, die sogleich zu zwinkern anfingen.
„Halt still, du machst ja alles futsch’.” schrie Elli.
„Kn … Sor … Sor … chn … Mund…”, lispelte mühsam der Strohmann.
Er wollte sagen: ,.Keine Sorge, mach mir nur schnell den Mund.”
Als dieser fertig war, fing der Scheuch vor Freude zu tanzen und zu singen an.
„O-ho-ho-ho! Elli hat mich wieder gerettet! Elli ist wieder da! O-ho-ho-ho …”
Plötzlich hielt er inne, da es sich für einen Herrscher nicht ziemte, in Anwesenheit seiner
Untertanen zu tanzen. Er warf einen besorgten Blick auf Din Gior und Faramant, die sich
jedoch taktvoll abgewandt hatten und so taten, als wären sie in ein ernstes Gespräch
vertieft. Der Scheuch atmete erleichtert auf.
Die allgemeine Freude steigerte sich, als Charlie dem Scheuch einen Stock aus
Mahagoniholz schenkte, den er geschnitzt hatte, während Elli mit der Herrichtung ihres
Schützlings beschäftigt war.
Der Strohmann stützte sich auf den Stock, schob die Brust heraus und sagte stolz:
„Liebe Freunde! Der Scheuch ist nun wieder klug, und ich will es euch beweisen durch die
großen Gedanken, die mir in den Kopf kommen. Hört also: Wir haben keine Waffen, um
uns mit Urfin zu schlagen. Waffen können nur die Zwinkerer schmieden. Die Zwinkerer
aber leben im Violetten Land. Und wo sind wir? Im Smaragdenland. Daraus folgt: Wenn
man sich in einem Land befindet, kann man nicht gleichzeitig in einem anderen sein. Was
bedeutet das? Nichts anderes, als daß wir in das Violette Land ziehen müssen!”
Die eindrucksvolle Rede des Scheuchs wurde mit stürmischem Beifall aufgenommen. Der
Löwe äußerte ihn durch Brüllen, Totoschka durch lautes Bellen.
Dritter Teil
DER SIEG
GEGEN DEN FEIND
Enkin Fled, Urfins Statthalter im Lande der Zwinkerer, war ein kleiner dicker Mann mit
rotem struppigem Haar. Er war mit einem Zug violetter Soldaten unter Führung von
Unteroffizier Elved in das Land eingefallen und hatte es leicht erobert, denn die Zwinkerer
waren zwar großartige Schmiede und Schlosser, besaßen aber noch weniger Kampfgeist
als die Käuer.
Nach der Einnahme des Violetten Schlosses jagte Enkin die Dienerschaft fort, die schon zu
Bastindas Zeiten dort gewesen war, und behielt nur die Köchin Fregosa, die schmackhafte
Speisen zu bereiten verstand, was dem Statthalter sehr gefiel, da er gern viel und gut aß.
Im Lande der Zwinkerer überkam Fled plötzlich eine unbezwingbare Gier nach Waffen.
Wenn er einen Dolch oder einen Degen sah, bega nnen seine Augen fiebrig zu glänzen.
Nachdem Einzug in das Violette Schloß befahl er den Landesbewohnern, alle Schwerter,
Dolche und Messer, selbst die Küchenmesser, bei ihm abzugeben. Zu
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