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Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur

Titel: Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samia Shariff
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Elias wissen.
    »Nein, mein Liebling. Es bringt uns nach Frankreich, wo wir in ein anderes umsteigen, das nach Montréal fliegt.«
    »Ich will nicht nach Frankreich! Ich will nicht zurück in das Hotel! Ich will allen sagen, dass ich Sylvain heiße und nach Kanada fliege!«, schrie er jetzt immer lauter.
    Ich nahm ihn in den Arm und erklärte ihm, wir würden den Flughafen in Frankreich überhaupt nicht verlassen, sondern nur von einer Maschine in eine andere umsteigen.
    Doch trotz all meiner Erklärungen wollte es den Zwillingen nicht in den Sinn, warum wir nach Frankreich zurückkehrten! Als mir die Argumente ausgingen, behauptete ich einfach, dieser Umweg sei Teil des Namenspiels und unbedingt erforderlich, um nach Kanada zu gelangen.
    Nach zwei Stunden kam der Flughafen Roissy in Sicht. Mit zugeschnürter Kehle verließen wir die Maschine. Noch einmal sprach ich Melissa Mut zu.
    Alle Passagiere aus unserem Flugzeug legten den gleichen Weg zurück. Wir wanderten durch einen langen Korridor und folgten dem Wegweiser Montréal . Dann fiel mein Blick auf die Warteschlangen vor dem französischen Zoll.

17. Der Weg in die Freiheit
    Norah hatte die Situation richtig eingeschätzt. Für ein paar Sekunden stockte mir der Atem, doch dann fasste ich mich wieder: Jetzt nur nicht in Panik verfallen! Ich sah Melissa und Norah fest in die Augen, um ihnen meine Entschlossenheit zu zeigen. Den Jungen flüsterte ich ins Ohr, dass das Spiel nun begann. Sie quittierten diese Ankündigung mit einem verschwörerischen Grinsen. Die Qualität unserer Pässe bereitete mir weniger Sorgen als das falsche Geburtsdatum von Zach-Valentin.
    Endlich waren wir an der Reihe; mein Herz begann zu rasen. Die Bedeutung dieses Augenblicks war mir vollkommen klar. Diese wenigen Minuten würden über das Schicksal meiner kleinen Familie entscheiden. Das Bild des Bettlers mit dem gütigen Lächeln tauchte vor mir auf. Auch jetzt gab es mir Kraft.
    Dicht aneinandergedrängt, als wollten wir uns Halt geben, traten wir vor. Vor den Schaltern mussten wir uns trennen. Norah ging an den linken Schalter, Melissa und ich an den rechten, die Jungen blieben zwischen uns.
    Nachdem die Zollbeamtin meinen Pass sorgfältig geprüft hatte, rief sie Ryan zu sich. Ich hielt den Atem an und sah meinen Sohn eindringlich an, als könnte ich ihm nur durch meinen Blick noch einmal einschärfen: »Vergiss nicht, du bist Samy.«
    »Guten Tag, kleiner Mann!«
    Offenbar mochte sie kleine Kinder.
    »Bist du Sylvain oder Samy? Ihr seht euch wirklich sehr ähnlich.«
    »Ich bin Samy, Madame. Und der dort ist Sylvain. Und mein Cousin ist auch da, Valentin, und meine Mutter …«
    »Du brauchst ihr nicht dein ganzes Leben zu schildern, Samy«, unterbrach ich ihn sanft. »Die Beamtin wollte nur deinen Namen wissen.«
    Die Frau musste lachen. Offenbar fand sie Gefallen daran, sich mit meinem Sohn zu unterhalten. Je mehr Samy redete, desto wahrscheinlicher wurde es, dass er sich verplapperte. Aber ein zweites Mal konnte ich nicht eingreifen, ohne das Misstrauen der Beamtin zu wecken. Ich musste meinem Sohn vertrauen.
    »Machst du Urlaub in Montréal?«
    »Was ist denn das, Montréal? Ich fliege nach Kanada!«, brüstete er sich.
    »Du fliegst in ein Land, das Kanada heißt, und Montréal ist eine Stadt in Kanada! Also haben wir alle beide recht«, erklärte sie geduldig.
    Sie betrachtete die Fotos in meinem Pass und musterte die dazugehörigen Kinder. Ihr Blick wanderte von einem zum anderen. Es schien alles eine Ewigkeit zu dauern! Schließlich warf sie einen raschen Blick auf Melissa, deren Gesicht aschfahl war. O Gott, meine Tochter sah aus, als müsste sie sich gleich übergeben!
    Sie flüsterte mir ins Ohr:
    »Mir ist so schlecht, ich glaube, ich werde ohnmächtig. Ich bin nicht so tapfer wie ihr.«
    »Melissa! Denk daran, dass wir eine ganz normale Familie sind, die in Ferien fährt, in Ordnung?«
    Das liebe Kind fürchtete wieder einmal zu versagen! Dabei hatte sie gar keinen Grund dazu: Sie war ein sehr sensibles Mädchen, aber sie machte ihre Sache sehr gut. Wie gerne hätteich ihr das gesagt, doch dazu war jetzt nicht der richtige Augenblick. So drückte ich ihr nur die Hand, um ihr zu verstehen zu geben: »Ich bin weit davon entfernt, dich zu tadeln, Melissa! Ich verstehe deinen Zustand sehr gut! Du bist ein sehr tapferes junges Mädchen! Gib jetzt nicht auf!«
    Melissa schien tatsächlich neuen Mut gefasst zu haben. Sie beugte sich zu ihrem Bruder hinunter, um ihm ein

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