Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur
zwar zufrieden, aber nicht außer sich! Wir wollen kein Aufsehen erregen!«
»Ich muss zur Toilette!«, verkündete Melissa.
Die ganze Familie musste die Anspannung der zurückliegenden Augenblicke loswerden. An diesem stillen Örtchen konnten alle ihrer Freude freien Lauf lassen.
»Das Schlimmste liegt hinter uns!, flüsterte Norah, bevor sie unbändig loslachte und alle anderen damit ansteckte.
Wir jauchzten vor Freude, schlugen uns auf die Schultern und umarmten uns immer wieder. Unser Übermut und Stolz kannte keine Grenzen.
»He, ihr Kleinen! Ihr wart großartig! Wollt ihr etwas essen, bevor wir losfliegen? Das habt ihr wirklich verdient, meine Lieben! Denkt daran, dass das Spiel gerade erst begonnen hat und weitergeht, bis wir in Montréal sind. Klar?«
Fröhlich verließen wir die Toiletten.
Beim Einstieg ins Flugzeug mussten wir unsere Papiere ein letztes Mal vorzeigen, aber diesmal wurden sie nur sehr flüchtig kontrolliert. Doch kaum saß Ryan auf seinem Platz am Ende der Reihe, als ich ihn rufen hörte: »Mama, können wir uns jetzt wieder mit unseren richtigen Namen anreden?«
Seine große Schwester brachte ihn unverzüglich zum Schweigen. Offenbar hatte niemand seine Worte beachtet. Ich tat, als hätte ich nichts gehört, und blickte zu Boden. Ein paar Sekunden verstrichen … es war alles in Ordnung!
Norah erklärte ihrem Bruder ein zweites Mal, dass das Spiel so lange dauern würde, bis wir ihm Bescheid sagten.
Wir saßen nun also in der Maschine nach Montréal, doch die Mädchen und ich konnten es noch immer kaum fassen. Ständig blickten wir uns an und lächelten glückselig, während die Jungen schliefen.
Der Flug dauerte fast siebeneinhalb Stunden, aber uns kam er viel kürzer vor. Wir brauchten Zeit, um all das Aufwühlende zu verarbeiten, was wir durchlebt hatten, und auch, um uns auf das neue Leben einzustellen, das uns nun auf diesem unbekannten Kontinent erwartete.
Mein Kleinster schlief in meinen Armen. Was für ein seltsames Leben hatte er bisher geführt: Immer wieder mussten wir umziehen und sogar auf der Straße herumstreunen. Hotelzimmer waren sein Zuhause gewesen. Hoffentlich wirkten sich die Umstände nicht nachteilig auf sein späteres Lebenaus! Ich wünschte mir so sehr, dass er bald ein echtes Zuhause haben würde.
»Bitten legen Sie die Sicherheitsgurte an. Wir befinden uns im Anflug auf den Flughafen Dorval, Montréal …«
Ich konnte kaum noch zuhören, so aufgeregt war ich. Noch einmal lächelte ich meinen Töchtern aufmunternd zu und ermahnte die Jungen. Dann war es so weit: Wir setzten den Fuß auf kanadischen Boden.
Am Zoll winkte eine Beamtin mich zu sich, während ihre Kollegin am Nachbarschalter Norah zu sich bat. Ich reichte ihr meine Papiere und schielte dabei zu meiner Tochter hinüber.
»Was ist der Grund für Ihren Besuch, und wie lange wollen Sie in Kanada bleiben?«
»Wir machen mit den Kindern hier zwölf Tage Urlaub.«
Sie warf einen kurzen Blick auf Melissa und die Jungen.
»Wo werden Sie wohnen?«, fragte sie.
»Bei Freunden, die letztes Jahr bei mir in Frankreich waren und mich nun zu sich eingeladen haben«, lächelte ich.
Sie gab mir die Papiere zurück und wünschte mir einen schönen Aufenthalt.
Ich ging mit den Kindern weiter. Norah schien mit ihrer Zollbeamtin mehr Schwierigkeiten zu haben, aber es war besser, sich abseits zu halten. Meine Tochter hielt Zach fest an der Hand, damit er nicht zu uns lief.
»Kann ich ihn nicht zu uns holen?«, fragte Elias.
Das schien mir eine großartige Idee. Schließlich war es ganz natürlich, dass ein älteres Kind ein jüngeres holte. So würde sich Norah besser auf ihre Antworten konzentrieren können.
Als Elias und Zacharias bei uns waren, sah ich, wie Norah auf ein angrenzendes Büro zusteuerte. Offenbar gab es Probleme. Ich folgte ihr und fragte, was los war.
»Ich muss mit einer anderen Beamtin sprechen, denn diese hier behauptet, der Vater von Valentin hätte eine Ausreiseerlaubnis unterzeichnen müssen.«
»Was soll das denn heißen? Für die Ausreise der Zwillinge habe ich doch auch keine Erlaubnis gebraucht! Warum verlangt man sie jetzt von dir? Wärst du nur bei der gleichen Beamtin gelandet wie ich!«
»Das wäre mir auch lieber gewesen, aber die Frau hat mich zu sich gewunken. Was hätte ich denn tun sollen?«
»Ich komme mit! Melissa, pass auf die Kinder auf.«
Es blieb keine Zeit, meiner jüngeren Tochter die heikle Situation zu erläutern.
Ich hielt mich im Hintergrund,
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