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Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur

Titel: Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samia Shariff
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Küsschen zu geben, und sogleich wich ihre Anspannung.
    Am Schalter neben uns hörte ich, wie sich der Zollbeamte an Norah wandte.
    »Wo ist Ihr Junge?«
    »Dort bei seinen Cousins.«
    Der Beamte erhob sich, um die Kinder besser sehen zu können. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich seinen Gesichtsausdruck, denn nun war der entscheidende Moment gekommen. Unser Schicksal hing an einem seidenen Faden. Dann setzte sich der Mann wieder, ohne zu fragen, welcher der Jungen Valentin war! Umso besser für uns. Ich atmete auf.
    Die Stimme meiner Beamtin ließ mich zusammenzucken. Sie wünschte mir gute Reise und einen angenehmen Aufenthalt in Montréal! Ohne eine Miene zu verziehen, nahmen Norah und ich unsere Papiere wieder entgegen und gingen durch den französischen Zoll. Erneut klangen mir die Worte des Bettlers im Ohr, und ich fühlte mich von einer unergründlichen Macht beschützt. Ich nahm mir die Zeit, um Gott zu danken.
    Der schwierigste Teil des Unternehmens lag nun hinter uns. Jetzt stand noch die Passkontrolle am Eingang der Wartehalle bevor. Vor uns hatte sich bereits eine Schlange gebildet. Ein Angestellter mit kleinen stechenden Augen fixierte die Wartenden, um möglichst frühzeitig unerwünschte oder illegale Personen auszumachen. Uns fiel auf, dass er farbige und fremdländisch wirkende Reisende besonders gründlich musterte. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter.
    »Mama, so stelle ich mir einen Spitzel vor«, flüsterte Norah mir zu.
    »Hoffentlich kommt er nicht zu uns«, flehte Melissa. »Mir ist so furchtbar übel! Hört das denn niemals auf?«
    Ihre Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Mit weit aufgerissenen Augen fuhr sie fort:
    »Sieh doch nur, Mama! Jetzt nimmt er die Pässe und schnüffelt an ihnen! Er wird bemerken, dass unsere nach Klebstoff riechen, und dann nimmt er uns fest. Ich will nicht, dass du ins Gefängnis kommst! Und ich will nicht in eine Pflegefamilie«, flüsterte sie fast weinend. Sie war nicht länger in der Lage, ihre Panik zu unterdrücken.
    Abermals sprach sie die Ängste aus, die ich in meinem tiefsten Innern hegte. Doch ich durfte mich keinesfalls von ihnen überwältigen lassen.
    »So etwas darfst du nicht denken, Melissa! Reiß dich zusammen!«, befahl ich barsch, um sie zur Vernunft zu bringen. »Wenn du weinst, werden sie Verdacht schöpfen und alles genau überprüfen.«
    In sanfterem Ton fuhr ich fort:
    »Beruhige dich doch! Wir fahren schließlich in Ferien! Denk an etwas Schönes, sprich mit deinen Brüdern und vor allem – lächle! In Montréal warten so viele schöne Dinge auf uns!«
    Dabei dachte ich: Mag schon sein, aber erst einmal müssen wir dort ankommen … Ich fuhr mir über die Stirn. Meine Haut war schweißnass, obwohl es recht kühl in dem Gebäude war. Ich hatte Angst. Es ging nur langsam voran in unserer Schlange. Mir schien es, als brächte uns jeder Schritt ein Stückchen näher an die Guillotine heran.
    »Mama, komm doch in diese Schlange hier. Der Angestellte dort sieht viel freundlicher aus.«
    Meine älteste Tochter bewahrte auch jetzt ihre Geistesgegenwart. Ich folgte ihrem Rat, und die gesamte Familie wechselte die Schlange. Als ich sah, wie sich Melissas Fingerineinander verkrampften, trat ich zu ihr und löste sanft ihre Hände voneinander. Verständnislos blickte sie mich an.
    »Das könnte jemandem auffallen. Stell es dir einfach vor, wenn dir das hilft.«
    Das sah sie ein und nickte.
    Kurz bevor wir den freundlich wirkenden Zöllner erreicht hatten, sah ich, wie sein unerbittlicher Kollege die Papiere eines Schwarzen unter die Lupe nahm. Das blieb uns also erspart! Ich blinzelte Norah anerkennend zu.
    Unser Zöllner kontrollierte die Pässe sorgfältig. Melissa und die Zwillinge standen neben mir, Norah nahm Zach an die Hand. Ich musste mich bücken, um Elias zu antworten, der wissen wollte, ob wir nun bald ins Flugzeug steigen würden.
    Plötzlich hörte ich, wie jemand unwirsch meinen falschen Namen nannte. Erst nach ein paar Sekunden realisierte ich, dass ich gemeint war.
    »Nun, Madame Dupont, wollen Sie nun fliegen oder nicht? Möchten Sie hier bei mir bleiben?«, brummte der Angestellte trocken.
    »Natürlich wollen wir fliegen!«, antwortete ich mit einem Lächeln. »Die Kinder werden nur langsam ungeduldig.«
    Er gab uns unsere Papiere zurück, und wir ließen die Schranke so schnell wie möglich hinter uns.
    »Bleibt ruhig, Kinder. Freut euch erst, wenn wir noch etwas weiter weg sind. Wenn man in Ferien fährt, ist man

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