Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur
durfte mein Vater nichts davon erfahren.
Als ich auflegte, hatte ich begriffen, dass ich wieder einmal allein mit meinem Elend war. Flüchtig dachte ich an meine Tante, aber ich wusste ja, dass sie mit meinen Eltern unter einer Decke steckte.
Wie konnte ich erreichen, dass mein Ehemann mich weniger brutal behandelte? Es schien nur einen Weg zu geben: Ich musste mich seinen Wünschen unterwerfen und ohne Gegenwehr tun, was er von mir verlangte.
Ich beschloss, meine Freundin Amina anzurufen. Sie war die Einzige, die mich verstehen konnte. Nach längerem Drängen gab meine Tante mir ihre Telefonnummer. Sie riet mir jedoch, meine Freundin keinesfalls nach Hause einzuladen, da Abdel ihren schlechten Ruf kannte.
Kaum hatte ich aufgelegt, kam mein Ehemann die Treppe hinunter.
»Mit wem hast du telefoniert?«, fragte er streng.
»Mit meiner Tante.«
»Das glaube ich dir nicht. Du hast mit deinem Liebhaber geredet! Jetzt kapiere ich langsam, warum du keine Lust auf mich hast!«
Er schleuderte mich zu Boden und zerrte an meinen Haaren. Wie immer, wenn er wütend war, vergewaltigte er mich. Ich mochte ihm noch so sehr versichern, dass ich keinen anderen Mann kannte – er glaubte mir nicht.
»Ist er besser im Bett als ich?«, wollte er eifersüchtig wissen.
Da Abdel sehr viel größer und stärker war als ich, konnte ich mich nicht gegen ihn wehren.
In dieser Zeit habe ich oft daran gedacht, mir das Leben zu nehmen. Und immer wieder habe ich meine Mutter um Hilfe angefleht. Sie jedoch hat für mich keinen Finger gerührt und meinem Vater niemals mitgeteilt, wie der Mann mich behandelte, den er für mich ausgewählt hatte. Dabei hatte sie mir doch versichert, ich könne im Notfall auf sie zählen. All ihre Worte entpuppten sich als Lügen! Noch heute verspüre ich einen bitteren Geschmack im Mund, wenn ich an das Bild der beiden Teller denke, zwischen denen ich wählen sollte: Die Suppe meiner Mutter war das reinste Gift!
Ein paar Monate später erwartete ich ein Kind! Abdel hatte gedroht, mich zu meiner Familie zurückzuschicken, wenn ich nicht innerhalb von drei Monaten schwanger wäre. Ich hatte mich an dieses Ultimatum gehalten und ihm so bewiesen, dass ich nicht unfruchtbar war! Gott hatte entschieden!
Als kein Zweifel mehr an meiner Schwangerschaft bestand, teilte ich die Neuigkeit zuerst meiner Mutter mit, die zu meinem Erstaunen begeistert war.
»Du machst mich überglücklich! Ich freue mich für dich, und ich bin sicher, dein Ehemann wird sich auch freuen. Wie schön, meine Große! Schenk uns einen schönen Jungen.«
Und was war, wenn es ein Mädchen wurde? Wie würde mein Mann reagieren? Würden meine Eltern dann noch weniger von mir wissen wollen? Auf keinen Fall würde meine Tochter das gleiche Schicksal erdulden wie ich! Ich wollte gerne einen Jungen zur Welt bringen, aber was konnte ich schon dafür tun?
Zur Feier der guten Nachricht hatte ich ein schönes Essen gekocht und gab mir alle Mühe, meinem Ehemann einen angenehmen Empfang zu bereiten. Ich half ihm, sich bequem in seinen Lieblingssessel zu setzen, und zog ihm dann die Schuhe aus, wie meine Mutter es mich gelehrt hatte. Dann verkündete ich feierlich:
»Abdel, du wirst Papa.«
»Papa? Was soll das denn heißen?«, fragte er mit weit aufgerissenen Augen.
»Ich bin schwanger, Abdel.«
»Warum denn jetzt? Glaubst du, ich kann ein zweites Kind brauchen, wo ich mit dir schon eines habe? Denkst du, ich verdiene genug, um eine Familie zu ernähren?«
»Ich dachte, du willst ein Kind haben! Du hast mich als unfruchtbar beschimpft und mir eine Frist von drei Monaten gegeben, um schwanger zu werden! Jetzt verstehe ich gar nichts mehr!«
»Ich wiederhole es noch einmal! Du bist ja selbst noch ein Kind und die bescheuerte Tochter eines reichen Vaters, die mir mein Leben versaut. Und jetzt versaust du es mir noch mehr, indem du ein Baby kriegst! Dann kannst du auch selbst deinen Vater anrufen und ihn um die doppelte Summe bitten …«
»Von welcher Summe sprichst du? Gibt mein Vater dir denn Geld?«
»Natürlich. Ich bekomme sogar mehr als du. Du bist nicht die Einzige, die von deinem lieben Papa profitiert. Und warum gibt er mir mehr Geld als dir? Was glaubst du? Weil ich dich mein ganzes Leben lang ertragen muss. Er bezahlt mich, um dich los zu sein und ein ruhiges Leben führen zu können. Er erkauft sich den Frieden, dein lieber Papa! Er konnte dich gar nicht schnell genug loswerden, und nun habe ich dich am Hals!«
Mit diesen Worten
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