Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur
bist, um ihm alles zu geben, was er braucht«, verkündete die siebenfache Mutter. »Ein Kind bedeutet eine große Verantwortung. Jetzt musst du den Jungen stillen. Aber wenn wir das Krankenhaus verlassen haben, werden wir ihm das Fläschchen geben, denn du hast nicht genug Milch, damit er satt wird. – Jetzt musst du wieder zu Samia, mein kleiner Prinz! Morgen komme ich wieder und nehme dich in meine Arme. – Und du, kümmere dich gut um ihn, und stille ihn, wann immer er Hunger hat.«
Ich nahm mein Baby wieder auf den Arm und war glücklich, endlich allein mit ihm zu sein. Das Verhalten meiner Mutter hatte mich gekränkt. Ein Jahr lang hatten wir uns nicht gesehen, und jetzt drehte sich alles nur um den Jungen, den ich zur Welt gebracht hatte! Ich verstand überhaupt nichts mehr. Mit der Geburt eines Sohnes hatte ich doch alles vollbracht, was sie sich wünschte! Ich hatte so gehofft, dass diese Geburt mich ihr näherbringen würde, dass sie dankbar wäre für das Geschenk, das ich ihr machte …
Warum kam ich mir völlig bedeutungslos vor? Wieder traten mir Tränen in die Augen. Ich existierte einfach nicht als eigenständige Person. Es war, als hätte man sich meiner bedient, um einen Jungen auszutragen! Ich wollte nicht weinen, denn irgendwo hatte ich gelesen, dass auch mein Kind darunter leiden konnte. Außerdem hatte ich gehört, dass Tränen die Muttermilch austrocknen! Wieder einmal schluckte ich meine Tränen hinunter und sagte mir, dass ich als Mutter für alles verantwortlich war, was meinem Baby widerfahren konnte.
Nach sechs Tagen im Krankenhaus hatte mein Sohn etwas zugenommen und schien mir nun weniger zerbrechlich. Ich war glücklich, dass meine Mutter noch einige Zeit bei uns bleiben wollte, denn ich hoffte, dass ihre Gegenwart einen beruhigenden Einfluss auf Abdel haben würde.
6. Die Entführung
Bevor wir nach Hause fuhren, fragte Abdel, wie ich mich fühlte. Eine solche Aufmerksamkeit war ich bei ihm nicht gewohnt.
»Ich möchte so schnell wie möglich mit meinem Sohn nach Hause und mich dort um ihn kümmern.«
Er half mir beim Zusammenpacken meiner Sachen und beim Anziehen des Babys. Seine Fürsorge weckte meinen Argwohn. Mit Amir auf dem Arm stieg ich ins Auto. Er begann leise zu weinen, und Abdel fragte, was er habe. Da ich es nicht wusste, wurde er ärgerlich und schimpfte, ich sei dumm und zu nichts nutze. Seine gute Laune war nur von sehr kurzer Dauer gewesen! Dabei hatte ich so gehofft, dass die Geburt eines Kindes ihn ruhiger machen würde!
»Sie weiß nicht einmal, warum ihr Baby heult!«, brummte er.
Es hatte sich nichts geändert! Ich versuchte, das Baby zu beruhigen, aber es hörte nicht auf zu weinen. Vermutlich fürchtete es sich genau wie ich vor der Rückkehr nach Hause! Vielleicht spürte es meine Anspannung.
Meine Mutter kam aus dem Haus gelaufen, um das Baby in Empfang zu nehmen. Ohne mich zu begrüßen, riss sie es aus meinen Armen und verschwand wieder im Haus.
»Hier, nimm die Tasche, anstatt die Kranke zu spielen!«, befahl mein Ehemann.
Ich flüchtete in mein Zimmer. Erschöpft legte ich mich auf das Bett und schlief ein, ohne an irgendetwas zu denken. Ein paar Minuten später flog mir die Tasche, die ich neben das Bett gestellt hatte, an den Kopf. Mein Ehemann rüttelte mich und zwang mich aufzustehen.
»Stell dich nicht so, als wärst du todkrank. Frauen haben schon immer Kinder bekommen und können sofort wieder ihren Pflichten nachgehen. Aber du musst dich noch nach sechs Tagen ständig hinlegen. Wenn dir danach ist, kannst du dich heute Abend auf etwas gefasst machen, meine Hübsche! Ich werde dir helfen, dich hinzulegen! Jetzt stehst du aber erst einmal auf und holst dein Baby! Benimm dich wie eine Mutter!«
Schlaftrunken schleppte ich mich die Treppe nach oben. Meine Nähte waren noch nicht ganz verheilt, sodass mir das Gehen schwerfiel. Meine Mutter war gerade dabei, dem Baby die Windel zu wechseln.
»Komm her, dann zeige ich dir, wie es geht.«
Ich sah ihr aufmerksam zu. Dann war es Zeit, das Baby zu stillen, aber meine Mutter meinte, ich solle ihm ein Fläschchen geben – das wäre doch viel einfacher.
»Später mache ich das vielleicht, Mama. Meine Brust ist voll, und es tut mir gut, wenn das Baby jetzt saugt. Außerdem hat es sicher Hunger.«
Meine Mutter wollte mir Amir nicht geben, sodass ich sie noch einmal eindringlich darum bitten musste. Als er in meinen Armen lag, sagte ich zu ihm:
»Jetzt gibt dir deine Mama die Brust. Mama weiß,
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