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Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur

Titel: Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samia Shariff
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scheinst du zu kapieren, worauf es ankommt. Es ist nur bedauerlich, dass das hier in Frankreich passiert ist. Bei uns wären wir niemandem Rechenschaft schuldig gewesen. Hier wollen sie uns verbieten,auf normale Weise mit unseren Frauen zusammenzuleben. Ein Mann, der seine Frau schlägt, kann sogar ins Gefängnis kommen! Die Franzosen wollen die Gesetze Gottes ändern. Diese Elenden sollen bis ans Ende ihrer Tage verflucht sein! Jetzt möchte ich nur noch mit dir allein sein und mich vergnügen, wie wir es früher gemacht haben!«
    »Es wird nicht mehr wie früher sein. Vergiss nicht, dass Amir da ist und ich mich um ihn kümmern muss.«
    »Ab morgen wird es kein Baby mehr geben!«, verkündete er vergnügt.
    »Was soll das heißen? Kein Baby mehr?«, schrie ich. »Wo ist Amir?«
    »Schrei mich nicht an, Frau«, brauste er auf. »Dein Sohn ist daheim, aber morgen wird er mit deiner Mutter nach Algerien fliegen.«
    Eine entsetzliche Angst packte mich. Man wollte mir mein Baby wegnehmen, mein eigenes Fleisch und Blut! Ich geriet in Panik und verstand nicht mehr, was vor sich ging. Ich war bereit, mein Kind bis aufs Blut zu verteidigen. Schließlich gehörte es zu mir, und niemand durfte es mir wegnehmen.
    »Nein, das ist nicht möglich. Ich werde mit meiner Mutter sprechen! Sie weiß, was es heißt, Mutter zu sein. Du lügst! Niemals würde meine Mutter mir etwas so Schreckliches antun. Sie ist trotz allem meine Mutter. Sie würde meinem Baby niemals schaden!«
    Meine Mutter! Während ich diese Worte aussprach, fühlte ich, wie sich tief in meinem Innern ein Zweifel ausbreitete. Und wenn meine Mutter nicht verstehen konnte, was ich empfand? Wenn sie beschlossen hatte, den Schmerz ihrer Tochter nicht sehen zu wollen, was dann?
    Ich versuchte meinen Ehemann von seiner Entscheidung abzubringen, indem ich ihn an seine Rolle als Vater erinnerte.
    »Ein Baby braucht seine Mutter. Sie ernährt es und kümmert sich um das Kind. Und ein Baby braucht auch seinenVater. Könntest du denn ohne den Kleinen leben? Warum haben wir ein Baby bekommen, wenn wir es wieder fortgeben?«
    »Es wird ihm an nichts fehlen. Deine Eltern werden ihn lieben und ihm das Geld geben, das es braucht.«
    »Bei uns würde es ihm auch an nichts fehlen. Ich kann ihm mehr Liebe geben als jeder andere. Und an Geld würde es ihm auch nicht fehlen.«
    Eine Welt brach für mich zusammen. Ich war verzweifelt.
    »Bei deinem Vater wird er viel mehr Geld haben!«, fuhr Abdel fort, ohne auf meinen Schmerz zu achten. »Und er wird ein größeres Erbe bekommen, denn er wird nicht nur deinen Anteil erhalten, sondern auch einen eigenen. Stell dir doch einmal vor, wie reich ich dann sein werde! Vergiss deinen Sohn! Deine Mutter wird sich sehr gut um ihn kümmern! Schließlich ist sie keine Fremde, sondern deine Mutter!«
    Meine Verstörung ließ ihn kalt, seinem Sohn gegenüber blieb er gleichgültig. Ich redete nicht weiter auf ihn ein, denn er dachte nur ans Geld. Schmerzlich wurde mir bewusst, dass ich mein Kind ganz allein verteidigen musste.
    So rasch wie möglich wollte ich die Situation mit meiner Mutter klären. Es schien mir ausgeschlossen, dass Abdels Worte stimmen könnten. Ich zählte auf ihre Unterstützung und ihr Verständnis als Mutter.
    Zu Hause eilte ich die Treppe hinauf, so schnell es in meinem Zustand ging. Oben hörte ich mein Baby weinen.
    »Ich bin da, mein Kleiner. Ich werde dich trösten, alles wird gut!«
    Er war nicht in seinem Bett. Ich ging noch eine Etage höher. Amir lag im Arm meiner Mutter und … welcher Albtraum! Sie versuchte ihm die Brust zu geben. Ich war so schockiert, dass dieses Bild sich für immer in mein Herz eingegraben hat. Sie wollte ihn an meiner Stelle stillen! Sie wollte mit aller Macht meinen Platz einnehmen.
    »Amir, hier kommt Samia«, sagte sie zu meinem Sohn, ohne sich durch meine Ankunft gestört zu fühlen.
    »Komm zu deiner Mama, mein Liebling!«, sagte ich und streckte die Arme nach meinem Kind aus.
    »Nein, Samia! Nicht Mama!«, donnerte sie, um mich einzuschüchtern. »Du bist zu jung, um dich zugleich um dein Kind und deinen Ehemann zu kümmern. Amir wird bei dir unglücklich sein, denn du hast schon Mühe, mit dir selbst zurechtzukommen.«
    »Gib mir das Baby, Mama! Es ist mein Kind, und ich werde es jetzt stillen. Gib es mir, ich bin seine Mutter! Ich werde reifer werden und alles lernen. Erinnere dich daran, dass auch du einmal jung warst und gelernt hast, uns zu erziehen! Hab einmal in deinem Leben

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