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Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur

Titel: Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samia Shariff
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dem Soldaten treffen. Warten Sie, bis Sie geschieden sind. Sonst bekommen Sie nur neuen Ärger! Sie kennen doch das Leben in diesem Land, nicht wahr?«
    Am Nachmittag begab ich mich in Begleitung meiner Freundin Layla zu meinem Haus, wo der Kommissar auf uns wartete. Die umliegenden Straßen wirkten ruhig, aber mein Herz schlug mir bis zum Hals.
    Nach den üblichen Begrüßungen schloss der Kommissar die Tür auf. Was für ein erbärmlicher Anblick bot sich uns! Alles war durchwühlt worden, der größte Teil der Möbel verschwunden. Viele Fenster und Türen waren eingeschlagen. Mein Haus war eine Bruchbude!
    Da konnte ich mich nicht mehr beherrschen. Ich brach in Schluchzen aus. Meine Freundin versuchte mich zu trösten. Der Kommissar ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und versicherte mir, dass er diese Angelegenheit gütlich mit meiner Familie regeln würde.
    »Wir werden sie dazu verpflichten, alles wieder in Ordnung zu bringen und Ihnen Ihre Möbel zurückzugeben! Ichwerde mich persönlich darum kümmern. Vertrauen Sie mir! In der Zwischenzeit sollten Sie bei Layla bleiben. Sobald alles geregelt ist, werde ich Ihnen Bescheid geben!«, beruhigte er mich.
    Als wir zum Auto zurückgingen, entdeckte ich meinen jüngeren Bruder, der mit einer Zigarette im Mundwinkel an einer Hausecke lehnte. Als er mich sah, strich er sich mit dem Daumen über den Hals. Die Drohung war eindeutig: Man wird dir die Kehle durchschneiden. Wieder einmal ergriff mich Panik, aber Layla bewahrte Ruhe. Auf dem Heimweg vergewisserte sie sich immer wieder, dass uns auch niemand folgte.
    Als wir wieder in Laylas Haus waren, rief ich Hussein an. Wir hatten vereinbart, uns vorläufig nicht zu sehen, aber weiterhin miteinander zu telefonieren.
    Meine Töchter sehnten sich nach der Schule und ihren Freundinnen. Seit mehr als einem Monat lebten sie jetzt schon mein Leben, also das einer Erwachsenen, und ich hatte ihre Unterstützung auch bitter nötig gehabt, ganz besonders die von Norah. Es wurde höchste Zeit, dass sie wieder ein altersgemäßes Leben führen konnten!
    Melissa strahlte, als sie hörte, dass sie wieder zur Schule gehen und ihre Freundinnen einladen durfte. Doch Norah konnte ihre Begeisterung nicht teilen.
    »Mama, du weißt doch, was ich denke! Wir müssen dieses Land verlassen, damit der Albtraum endgültig ein Ende hat. Ich fühle mich hier nicht zu Hause. Ich möchte ein freies Leben führen. Ich will keine Angst vor meinem Vater, meinem Großvater, meinen Onkeln und den anderen Männern haben. Ich möchte nach Frankreich zurück. Dort fühle ich mich zu Hause, und dort sind meine echten Freunde.«
    »Ich verstehe dich, Norah. Aber wir dürfen nichts überstürzen. Alles braucht seine Zeit. Ich verspreche dir, dass wir eines Tages von hier fortgehen werden.«
    »So früh wie möglich! Bevor eine von uns hier ums Leben kommt.«
    »Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, damit uns nichts zustößt.«
    Damit schloss ich Norah in die Arme, um ihr zu zeigen, dass ich mit ihr fühlte und ihren Wunsch teilte.
    Die paar Tage, die wir bei meiner Freundin versteckt verbracht hatten, waren sehr wohltuend gewesen. Wir hatten genug zu essen bekommen und konnten in Frieden schlafen.
    Ich stellte mir nun die Frage, wie es weitergehen sollte. Geld hatte ich keines mehr, ich arbeitete nicht, und meine Familie hatte mich verstoßen. Wie sollte ich uns ernähren? Wer würde mir helfen? Vorläufig konnte ich auf Laylas Unterstützung zählen, aber da auch sie nicht arbeitete, lebten sie und ihre beiden Töchter äußerst bescheiden. Was Hussein anging, so musste er bereits für seine sehr arme Familie aufkommen.
    Wie konnte eine Frau, die keine Arbeit hatte, in Algerien mit zwei Kindern überleben? Es schien nur zwei Möglichkeiten zu geben: Prostitution oder Betteln. Ich flehte Gott um Hilfe an. Am liebsten wäre ich noch lange bei meiner Freundin geblieben. Ich genoss jeden Augenblick, den ich in ihrer Gesellschaft verbringen konnte …
    Eines Morgens teilte mir der Kommissar mit, dass mein Vater die ihm vorgelegte Abmachung endlich akzeptiert hatte und ich in zwei Tagen in mein Haus zurückkehren konnte!
    Dieses neue Leben würde sehr anstrengend werden. Ich würde ganz allein für die Sicherheit der Mädchen verantwortlich sein. Die Sorgen fingen bereits mit dem Schulweg an: Gab es dort irgendeine Gefahr?
    Auch hier war meine Freundin mir eine große Hilfe, denn sie plante mit mir gemeinsam unser künftiges Leben. Nachder Schule sollten

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