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Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur

Titel: Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samia Shariff
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haben, Layla! Aber zuerst muss ich unbedingt sehen, wie ich ausschaue.«
    Layla zeigte mir das Badezimmer. Der Spiegel zeigte mir das fremde Bild eines kahl geschorenen Kopfes mit dichten Augenbrauen. Meine Töchter hatten recht: Ich war blass, schmutzig und sah elend aus. Ich würde Norahs Tuch lange tragen müssen, bevor ich wieder einigermaßen ansehnlich sein würde. Meine Freundin spürte meine Verzweiflung und strich mir liebevoll über die Wange.
    »Erzähl mir, was geschehen ist, Samia! Ich will alles wissen.«
    »Es wird mir guttun, darüber zu sprechen«, antwortete ich.
    Und dann begann ich zu erzählen. Die Worte brachen aus mir hervor, wenngleich ich immer wieder weinen musste. Betroffen hörte Layla zu. Als ich geendet hatte, weinten wir alle vier.
    »Ich bewundere deine Kraft«, sagte meine Freundin. »Ich hätte an deiner Stelle den Verstand verloren. Im Augenblick ist es das Wichtigste, Anzeige zu erstatten. Du musst dein Haus zurückerhalten, damit du ein Dach über dem Kopf hast. Schließlich willst du ja nicht auf der Straße leben!«
    »Ich habe Angst, meine Familie anzuzeigen. Du kennst sie nicht, Layla. Sie sind sehr mächtig und haben Einfluss im ganzen Land.«
    »Mach dir keine Sorgen, Samia! Ich habe auch Einfluss, und der Kommissar ist ein Freund von mir. Ich begleite dich zu ihm. Deine Töchter werden so lange hier bei meinen Kindern bleiben. So werden sie wenigstens dieses Mal nicht in dieProbleme der Erwachsenen hineingezogen. Komm, gehen wir!«, drängte sie und ergriff meine Hand.
    Layla war zutiefst erschüttert über mein Schicksal und fest entschlossen, mir zu helfen. Bis zum Sieg, wie sie sagte.
    Als wir auf dem Kommissariat ankamen, war mein ältester Bruder Farid bereits da.
    »Das ist die Hure, die meine Mutter angegriffen hat!«, sagte er mit hasserfüllter Stimme. »Sie müssen sie einsperren.«
    Meine Freundin stellte sich vor mich und stieß ihn mit aller Kraft zurück.
    »Huren halten zusammen!«, zeterte er.
    »Das reicht«, ertönte jetzt die mächtige Stimme des Kommissars, der uns von seinem Büro aus gehört hatte.
    Er warf einen Blick auf mich und musterte dann meinen Bruder.
    »Kommen Sie alle beide in mein Büro.«
    Ich war besorgt, da mein Bruder mir versichert hatte, dass die Männer in Algerien zueinander hielten, um ihre Herrschaft zu festigen. Ich sah mich ihm bereits ausgeliefert.
    »Setzen Sie sich! Erst möchte ich Ihre Version hören, Monsieur, und dann die Ihrer Schwester.«
    »Herr Kommissar, meine Schwester ist eine Hure, die hier so lebt, als wäre sie in Frankreich.«
    »Das reicht! Etwas mehr Respekt bitte! Wenn Sie Ihrer Schwester keine Achtung entgegenbringen, so ersparen Sie wenigstens mir Ihre Obszönitäten. Ihre Schwester sieht ganz und gar nicht wie eine Hure aus! Das können Sie mir glauben, denn ich erkenne diese Frauen bereits, wenn sie zur Tür hereinkommen.«
    »Herr Kommissar, diese Frau lässt sich scheiden und hat ihren Mann vor die Tür gesetzt. Sie hat ihre Mutter zu Boden gestoßen, um mit ihren beiden Töchtern auszugehen! Wiewürden Sie eine Frau bezeichnen, die man nicht mehr im Zaum halten kann, Herr Kommissar?«
    »Ich muss mehr wissen, bevor ich mich dazu äußere. Gehen Sie hinaus, Monsieur. Mir scheint es sinnvoller, zunächst die Version Ihrer Schwester anzuhören. Dann kommen Sie an die Reihe.«
    Unzufrieden schimpfte mein Bruder noch:
    »Herr Kommissar, meine Schwester ist eine geschickte Lügnerin. Um hier herauszukommen, würde sie sogar ihre Töchter verkaufen. Wir wollten nicht, dass sie auf die schiefe Bahn gerät, deshalb haben wir sie im Haus behalten. Sie ist mit ihren Töchtern davongelaufen und wird sie mit sich ins Unglück reißen. Madame will wie eine Französin leben!«, schloss er und warf mir einen verächtlichen Blick zu.
    Als der Kommissar nach einem Stift suchte, machte Farid mir mit einer Geste klar, dass er mir am liebsten die Kehle durchschneiden würde.
    Nachdem er hinausgegangen war, lauschte der Kommissar aufmerksam meiner Geschichte. Er betrachtete meinen kahl geschorenen und verbrannten Schädel und zeigte ein Mitgefühl, das ich bei einem algerischen Polizisten nicht erwartet hatte.
    »Ich kann Ihnen helfen, Ihr Haus wiederzubekommen. Sie brauchen schließlich eine Bleibe, wo Sie mit Ihren Töchtern in Sicherheit leben können. Für junge Frauen ist die Lage heute sehr gefährlich. Sie sollten es vermeiden, das Haus zu verlassen, aber Ihre Töchter regelmäßig zur Schule schicken.«
    »Ich habe

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