Der Schleier der Angst - Der Schleier der Angst - Voile de la Peur
Einwilligung in die Scheidung. Ich mochte ihm noch so aufrichtig beteuern, dass ich kein Geld hatte, er glaubte mir nicht. Und wieder begann er mich zu beschimpfen und zu bedrohen.
»Du dreckige Hure, wenn du deine Freiheit haben willst, musst du dafür auch bezahlen! Andernfalls werde ich dir und deinen Bastarden die Kehle durchschneiden lassen. Ich kenne genug Leute, die ich damit beauftragen kann. Wenn du tot bist, wird mir dein ganzer Besitz zufallen, weil ich immer noch dein Ehemann bin!«
Da legte ich rasch auf. Ich zitterte vor Angst. Seine Anrufe mehrten sich, und bald meldete er sich täglich. Jedes Mal befiel mich Panik. Es war ein wahrer Telefonterror, den Abdel jetzt ausübte, und ich wusste, dass er zu allem fähig war. Den Mädchen gegenüber erwähnte ich nichts, um sie nicht noch mehr zu traumatisieren.
Wir waren ungefähr eine Woche in unserem Haus, da tauchte der Nachbar auf, von dem Malika gesprochen hatte, und erbot sich, unsere Möbel wieder zusammenzubauen. Es machte uns großen Spaß, ihm so gut wir es vermochten zur Hand zu gehen. Als die Arbeit beendet war, konnten wir endlich alles wieder an Ort und Stelle räumen. Wir schuldeten diesem Samariter großen Dank!
In der darauf folgenden Nacht riss uns das Klingeln des Telefons aus dem Schlaf. Als ich ins Wohnzimmer kam, hielt Melissa bereits den Hörer in der Hand. Gebe Gott, dass nicht er es ist!, dachte ich. Doch an ihrem Gesichtsausdruck sah ich, dass mein Flehen nicht erhört worden war.
»Ja, Papa, ich bin es«, antwortete sie mit zitternder Stimme.
Ihre Augen weiteten sich vor Schrecken, und sie erstarrte förmlich, bis sie den Hörer fallen ließ und zu mir stürzte. Sie zitterte wie ein Vögelchen im Regen.
»Er ist hier! Er ist unter meinem Bett, Mama!«, schrie sie entsetzt.
»Hab keine Angst! Dein Vater ist nicht hier! Was hat er dir gesagt, dass du solche Angst hast?«
»Ich werde dir alles wiederholen, an das ich mich erinnere. Er hat gesagt: Ich werde immer in diesem Haus sein. Überall dort, wo du hinschaust, werde ich sein. Jetzt gerade bin ich unter deinem Bett, und ich habe ein großes Messer bei mir, mit dem ich euch allen dreien die Kehle durchschneiden kann! Gott befiehlt mir, mich mit eurem Blut zu reinigen!«
Ich beruhigte Melissa und vergewisserte mich, dass er aufgelegt hatte.
»Du darfst ihm nicht glauben, mein Liebling. Er kann nicht hier sein. Er will dir nur Angst machen mit seinen Drohungen. Glaub ihm bloß nicht, mein Schatz!«
»Ich weiß, dass er unter meinem Bett ist. Er will uns die Kehle durchschneiden, das hat er mir gesagt«, wiederholte sie immer wieder.
Sie nahm mich gar nicht wahr. In der Zwischenzeit war auch Norah aufgewacht und kam zu uns.
»Was ist passiert?«
»Dein Vater hat angerufen.«
Bevor ich fortfahren konnte, unterbrach sie mich heftig:
»Nenn ihn nie wieder Vater . Ich habe keinen Vater mehr, Mama. Mein Vater ist tot!«
Mit Melissa sah ich unter dem Bett nach, um ihr zu zeigen, dass ihr Vater sich nicht dort versteckt hielt. Ich erlaubte ihr, den Rest der Nacht in meinem Bett zu verbringen. Trotzdem schlief sie sehr unruhig.
Abdel hatte alle Grenzen überschritten. Es war schon unerträglich, dass er mich bedrohte, aber ich würde ihm niemals verzeihen, dass er Melissa Angst eingejagt hatte. Er wusste, wie sensibel sie war.
Am nächsten Tag war schulfrei, und ich dachte, dass wir wieder zur Ruhe kommen könnten, aber das war nicht der Fall.
Am Morgen ließ uns mein Vater durch meinen Sohn eine Warnung überbringen.
»Die Botschaft deines Vaters lautet: Falls er noch einmal ein männliches Wesen bei dir sieht, das älter als fünf Jahre ist, wird er dich töten.«
»Es war niemals ein Mann hier!«
»Einer der Nachbarn hat dein Haus betreten«, entgegnete er.
»Das stimmt! Der Nachbar hat mir geholfen, die Möbel wieder zusammenzubauen, die ihr zerstört hattet! Er war mir behilflich.«
»Behilflich oder nicht, kein Mann darf dein Haus betreten. Achte darauf, denn du könntest es sonst bereuen.«
Ebenso ungerührt, wie er gekommen war, entfernte er sich wieder. Ich kam einfach nicht weiter, stattdessen schien es vielmehr rückwärtszugehen … Würde es mir niemals gelingen, diesem Teufelskreis zu entrinnen?
Um die Mittagszeit bekam Melissa Hunger. Meine Nachbarinnen waren nicht zu Hause, und Hussein hatte Dienst. Eine Zeit lang sah Melissa fern, um auf andere Gedanken zu kommen, aber gegen drei Uhr nachmittags war sie so hungrig, dass sie zu weinen anfing. Der
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