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Der Schlittenmacher

Der Schlittenmacher

Titel: Der Schlittenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Norman
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ein bisschen Platz für einen Einkauf lassen. Ich hab zwar nicht vor, etwas zu kaufen, aber man kann ja nie wissen.«
    Meine Tante machte den Koffer zu und verschloss ihn. Den Schlüssel befestigte sie an einem Stück Schnur und streifte sich dieses Armband über das linke Handgelenk. »Wyatt, mein Lieber, würdest du mir den Koffer an die Haustür stellen?«
    Doch bevor ich nach dem Koffer greifen konnte, schob mein Onkel Donald von draußen ein Esszimmerfenster hoch und sagte: »Ich hab dir offiziell den Lohn für einen ganzen Tag abgezogen. « Er hatte sich mindestens eine Woche nicht mehr rasiert, er sah völlig erledigt aus, sein Gesicht war blass und hager.
    »Ich arbeite heute Nachmittag und am Abend«, sagte ich.
    »Nicht nötig«, erwiderte er und machte das Fenster zu.
    »Na ja«, meinte meine Tante, »besonders gesprächig ist er nicht, was?«
    »Nicht wirklich, nein«, sagte ich.
    »Also, in letzter Zeit redet er mehr mit sich selbst.«
    »Weißt du, Tante Constance, so wie er in letzter Zeit ist – hältst du es nicht auch für möglich, dass er die Trauungszeremonie stören könnte?«
    »Keine Sorge. Er wird nicht hingehen«, meinte meine Tante. »Er wird vielleicht wollen, aber er wird’s nicht tun. Donald geht nirgends hin, wo er nicht eingeladen ist.«
    »Dann hol ich mal meinen Koffer«, sagte ich.
    »Die Busfahrt kostet zwei Dollar fünfzig Cent.«
    Ich nahm ihren Koffer und stellte ihn neben die Tür. Meine Tante ging in die Küche und setzte Teewasser auf. »Ich bringe Donald einen Tee raus«, sagte sie. »Tee für meinen Mann, mit dem ich siebenunddreißig Jahre verheiratet bin und der jetzt in einer Werkstatt schläft.«

PICKNICK IM BUS
    Constance und ich stiegen am 7. Oktober um 10:05 Uhr in den Bus der Acadian Line. Wir setzten uns nebeneinander in die dritte Reihe auf der Fahrerseite. Sie trug eine dunkelbraune Hose, eine weiße Bluse, Pullover und Jacke. Bequeme Schuhe rundeten ihre Reisekleidung ab. Ihren Schal hatte sie fein säuberlich zusammengefaltet in der Handtasche. Von Great Village bis Truro waren wir die einzigen Fahrgäste. In Truro stiegen dann zwei Frauen ein, die sich nebeneinandersetzten und dann sofort jede ein Buch herausnahmen und zu lesen begannen. Wir hatten in Truro fünfunddreißig Minuten Aufenthalt, aber meine Tante und ich blieben sitzen. Sie nahm eine Thermosflasche mit Tee heraus, die sie eingepackt hatte. Bald kam ein Verkäufer in den Bus – ein etwas ungeschliffener Junge von fünfzehn oder sechzehn Jahren – und ging durch die Sitzreihen. Er bot Sandwiches mit gebackenem Heilbutt oder mit Schinken und Käse an. Wir nahmen beide den Heilbutt.
    Der Verkäufer ging ins Depot zurück. »Picknick im Bus«, sagte Constance. »Das Leben könnte schlimmer sein.«
    »Du hättest mir das Sandwich nicht bezahlen müssen«, sagte ich. »Ich habe mein eigenes Reisegeld. Abgesehen von dieser Woche hat Onkel Donald mir meinen Lohn immer pünktlich gegeben.«

    »Dann hat er’s eben nicht immer pünktlich getan – und es sollte wirklich immer sein.«
    »Ich werd ihn aber nicht drängen.«
    »Hast du deinen Koffer ordentlich gepackt?«
    »Das verrat ich dir nicht.«
    »Wenn wir nach Halifax kommen – darf ich kurz nachsehen? «
    »Nein, darfst du nicht, Tante Constance.«
    Während des Aufenthalts stand der Fahrer, Mr. Harrison (er und Mr. Standhope fuhren diese Strecke), draußen gegen den Bus gelehnt und rauchte eine Zigarette. Meine Tante wickelte die Hälfte von ihrem Sandwich ein und legte es in ihre Handtasche. Nach ungefähr zwanzig Minuten stieg der Fahrer wieder ein, gefolgt von zwei jungen Männern, kanadischen Soldaten in Uniform, die sich in die letzte Reihe setzten, rauchten, plauderten und lachten. Wir fuhren los, aus Truro hinaus und weiter nach Süden. Dieser Abschnitt sollte laut Fahrplan drei Stunden und fünfzehn Minuten dauern, sodass wir um 17:15 Uhr in Halifax ankommen würden.
    »Willst du jetzt dein Nickerchen machen?«, fragte ich.
    »Noch nicht.«
    »Dann möchte ich dich etwas fragen. Darf ich?«
    »Ich hab mich nicht von dir begleiten lassen, damit du dann kein Wort sagen darfst«, antwortete meine Tante.
    »Also, es ist Folgendes. Es will mir einfach nicht in den Kopf, warum Onkel Donald … ich meine, wenn man weiß, wie sehr ihn das mit den U-Booten beschäftigt … warum er …«
    »… warum er es zulässt, dass ich die Fähre nehme? Dass ich mit der Caribou rauf nach Sydney und dann hinüber nach Neufundland fahre? Es ist ja nicht

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