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Der Schlittenmacher

Der Schlittenmacher

Titel: Der Schlittenmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Norman
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Bemerkung. Jeden Tag kamen Schulkinder vorbei, um sich einen oder mehrere von diesen kleinen runden Kuchen mitzunehmen. Oft aßen sie einen gleich in der Bäckerei und nahmen noch ein halbes Dutzend für zu Hause mit. Cornelia musste ständig für Nachschub sorgen. Der Holzofen
hatte gerade erst begonnen, Wärme abzustrahlen. Tilda und ich tranken Kaffee und aßen Toast mit Marmelade. »Willst du wissen, was er hinzugefügt hat?«, fragte sie.
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Dass ihn seine Frau überlebt – Tilda Hillyer aus Middle Economy, Nova Scotia.«
    Ein paar Minuten saßen wir da, ohne zu sprechen. »Wyatt, ich brauche dich für meine Hochzeit – du musst mich zum Altar führen«, sagte Tilda schließlich. »Nach allem, was in letzter Zeit passiert ist, kann ich meinen Vater nicht darum bitten. Er würde Nein sagen.«
    »Heißt das etwa, dass es schon einen Hochzeitstermin gibt?«
    »Der 10. Oktober.«
    »In vier Tagen.«
    »Kommt ein bisschen schnell, ich weiß. Reverend Plumly in Advocate Harbor hat sich schon bereiterklärt, die Trauung zu vollziehen. Ich dachte mir, fünf Orte die Straße runter, das ist nicht zu nah und nicht zu weit weg. Als ich ihm sagte, dass Hans immer noch deutscher Staatsbürger ist, meinte Reverend Plumly nur: ›Dafür verlange ich keinen Zuschlag.‹«
    »Hat Reverend Witt Nein gesagt?«
    »Ich gehe nicht gern wohin, wenn ich weiß, dass dort meine Gefühle verletzt werden«, antwortete Tilda. »Mit Witt habe ich nicht gesprochen.«
    »Aber Tante Constance hast du es sicher gesagt.«
    »Hans hat es ihr mitgeteilt, bei ihrem letzten Besuch hier, das war vor zwei Tagen. Er hat Mom um meine Hand gebeten. Mutter hat uns beide umarmt, doch das hätte sie so oder so getan. Egal was sie darüber denkt.«
    »Ich frage mich, ob sie’s Onkel Donald erzählt hat.«
    »Wahrscheinlich hat sie sich noch nicht entschieden, ob es
für Dad schlimmer ist, wenn er die Nachricht jetzt erfährt oder später.«
    »Versprich mir, dass du mir nie erzählst, wie Hans dir den Heiratsantrag gemacht hat«, sagte ich.
    »Er hat gesagt, er hat das Gefühl, dass er mich schon sein ganzes Leben kennt – und warum sollte man das nicht fortsetzen.«
    »Komisch, immerhin warst du noch nie in Deutschland.«
    »Du weißt, wie er es gemeint hat, Wyatt.«
    »Hat Hans den Brief an seinen Professor abgeschickt?«, fragte ich.
    »Ist gestern mit der Post weggegangen.«
    Tilda sah durch das Fenster auf das Minas Basin hinaus. In der Nähe der Küste flogen die Kormorane tief über dem Wasser vor ihren flügelschlagenden Schatten her. »Ich wünschte, die Kormorane wären nicht mit auf Noahs Arche gekommen«, sagte sie. »Ich habe diese hässlichen Vögel noch nie leiden können.« Tilda schaffte es immer – egal, worüber wir gerade sprachen oder wie trostlos die Umstände waren –, mich zum Lachen zu bringen. »Aber sie haben wohl das gleiche Recht wie alle anderen Geschöpfe, sich auf der Erde herumzutreiben. «
    »Das haben sie wohl, ja.«
    »Wenn Mom manchmal nicht versteht, warum irgendetwas in der Natur so richtig hässlich ist, dann sucht sie eine ›göttliche Erklärung‹ dafür. Sie meint, dass Gott am Tag, als er das erschuf, gerade Kopfweh hatte. Und ich sage dazu immer, warum hat er denn seinen Fehler nicht korrigiert, nachdem er die Kopfwehtabletten erfunden hatte?«
    »Warst du wieder die ganze Nacht wach?«, fragte ich.
    »Ich sehe furchtbar aus, was? Außerdem rede ich lauter sinnloses Zeug, nicht?«

    »Nein, du redest schon so einiges, das stimmt, aber es hat Hand und Fuß. Ich wünschte, ich könnte noch einen Kaffee trinken und länger zuhören, aber ich muss einen Schlitten fertig machen. Ich lebe schließlich davon. Außerdem kann Hans runterkommen und uns sehen. Er soll nicht eifersüchtig werden. «
    »Würde es dir helfen, wenn ich dir sage, dass er dich mag, Wyatt?«
    »Tilda, schlaf ein bisschen.«
    »Schau mal in den Spiegel«, erwiderte sie. »Wie heißt es so schön – ein Esel schimpft den anderen Langohr.«
    Ich trank meinen Kaffee aus und verließ die Bäckerei. Zu Hause ging ich gleich zur Werkstatt, aber als ich hörte, wie Donald das Radio anschrie, beschloss ich, lieber ins Haus zu gehen. »Tante Constance?«, rief ich. Sie stand im Esszimmer, ihr neuer Schrankkoffer lag offen auf dem Tisch, Kleider waren auf drei Stühlen aufgestapelt. »Ich fahre morgen früh, weißt du«, sagte sie.
    »Ich hab ganz vergessen, dass es schon so weit ist«, antwortete ich.
    »Sieh dir nur diese drei

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