Der Schlittenmacher
nach Dänemark zu Marlais zu schicken. Ich glaube, er hat keine Ahnung, was er da verlangt. Tilda würde nie im Leben einen Schlitten von ihm annehmen.«
»Ich bin sicher, Reverend Witt … ist er noch Reverend?«
»Bis er auf der Kanzel tot umfällt.«
»Ich bin sicher, Reverend Witt findet jemanden, der den Schlitten haben will. Er muss ja nicht dazusagen, wer ihn gebaut hat, nicht?«
»Gute Idee. Ich werd’s ihm vorschlagen, wenn ich heimkomme. «
Wir redeten und redeten, und ich erwähnte irgendwann
auch das Foto in Rigolo’s Pub, und Cornelia sagte sofort, dass sie es sehen wolle. »Ich war noch nie in einem Pub in Halifax, nicht ein Mal«, sagte sie. Wir gingen also in Rigolo’s Pub und stellten uns an die Bar, wo wir das Bild gut betrachten konnten. Ich nahm ein Bier und Cornelia einen Cognac, obwohl sie, wie sie sagte, so etwas normalerweise nicht trank, doch wenn sie schon einmal in einem Pub war, wollte sie irgendetwas Exotisches wählen. Sie war dann so schockiert von dem Foto, dass sie nicht nur den einen Cognac hinunterkippte, sondern gleich noch einen zweiten bestellte. »Wyatt, ich frage mich, ob irgendjemand außer dir und mir Hans Mohring auf diesem Foto wiedererkennt«, sagte sie. »Ich meine, jemand, der seinen Namen kennt. Das Foto haben sicher schon Hunderte gesehen. Aber es geht ja eigentlich um diese Männer von dem deutschen U-Boot, nicht? Wer achtet da schon auf die Leute im Hintergrund. Was mir so seltsam vorkommt, ist, dass man auf dem Foto verschiedene Deutsche sieht. Da sind die einen, die so viel Schaden angerichtet haben, und Hans, der nichts getan hat. Und ich denke mir, dass sie heute alle irgendwo am Grund des Meeres sind.«
»Weißt du, Cornelia, ich habe in der Mail gelesen, dass Die lachende Kuh 1944 vor der französischen Küste versenkt wurde. «
»Ich habe gehört, dass sie in Port aux Basques ein Denkmal errichtet haben, wo sich die Überlebenden der Caribou jedes Jahr treffen.«
Cornelia trank noch drei Cognacs. Sie sah immer wieder auf das Foto. »Wyatt«, sagte sie schließlich, »ich halte es keine Minute länger hier drin aus.« Sie war so wackelig auf den Beinen, dass wir ein Taxi rufen mussten, obwohl ihr Hotel ganz in der Nähe war.
Am nächsten Morgen gegen acht Uhr klingelte mein Telefon. Als ich abhob, sagte Cornelia: »Ich und mein Brummschädel erwarten dich unten in meinem Hotel zum Frühstück. Geht es in fünfzehn Minuten?«
Es regnete. Ich schlüpfte in Hose und Pullover, zog meinen Regenmantel an, nahm meinen Schirm und eilte zum Dresden Arms hinüber. Cornelia saß an einem Tisch am Fenster. »Ich habe Scones und Kaffee bestellt«, sagte sie. »Was die Scones betrifft, bin ich nicht sehr optimistisch.«
»Dafür musst du das Frühstück nicht extra bezahlen, vergiss das nicht.«
Die Kellnerin brachte jedem einen Heidelbeerscone. Die Scones waren aufgewärmt und wurden mit etwas Butter auf dem Teller serviert. »Nun«, meinte Cornelia, »meiner sieht zumindest wie ein Scone aus.«
Ich biss hinein und sagte: »Es ist der hundertfünfundfünfzigbeste Scone, den ich je gegessen habe, Cornelia.«
»Die ersten hundertvierundfünfzig waren von mir.«
»Deine Rechnung stimmt.«
Sie aß ihren Scone, trank etwas Kaffee dazu und sagte schließlich: »Weißt du, warum ich diesen Scone mag? Vor allem weil ich ihn nicht machen musste. Ja, du hast gerade gesehen, wie ich meinen ersten Scone außerhalb von Middle Economy gegessen habe – und ich hab schon Scones von meiner Großmutter und meiner Mutter gegessen, und meine eigenen. Aber das ist dann auch schon alles. Ich war noch nie in Paris. Ich war noch nie in London. Und jetzt sitze ich hier, in etwas vorgerücktem Alter, und esse meinen ersten Scone in Halifax.«
Es war Sonntag. Ich begleitete Cornelia zum Bus, der um 11:05 Uhr von Halifax abfuhr. In einem solchen Bus hatte Tilda einst Hans Mohring kennengelernt.
Ich muss noch einmal auf das Thema Geburtstagsfeiern zurückkommen. Am selben Abend feierte Evie Michaels’ Tochter Ellen ihren fünften Geburtstag, und ich war eingeladen. Die Party fand um sechs Uhr abends im Haus der Michaels in der St. Harris Street statt, nicht weit vom North Common Park. Evies Mann William – er arbeitet als Hausmeister im General Hospital der Stadt – war auch da, und zehn Freundinnen von Ellen aus dem Kindergarten. Evie hatte Ansteckblumen aus Papier gebastelt, die sich die Mädchen an die Kleider steckten. Es gab Sandwiches mit Erdnussbutter und Marmelade,
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