Der Schlüssel zu Rebecca
Sklave. Ich halte den Kopf hoch wie eine Katze; ich achte nicht auf den Pöbel, kümmere mich nur um meine eigenen geheimnisvollen Aufgaben, nutze Menschen so aus, wie Katzen ihre Besitzer ausnutzen. Sie bedanken sich nicht und akzeptieren keine Zuneigung; das, was man ihnen anbietet, ist kein Geschenk, sondern eine Selbstverständlichkeit. Ich bin ein geborener Herrscher, ein deutscher Nazi, ein ägyptischer Beduine.
Wie viele Stunden noch bis Assiut; acht, zehn? Muß mich beeilen und Ischmael finden. Er dürfte am Brunnen sein oder nicht weit entfernt. Ich hole das Funkgerät und sende heute um Mitternacht. Die vollständige britische Verteidigung, welch ein Coup, sie werden mir Ordenverleihen. Die Deutschen als Beherrscher von Kairo. Ja, wir werden aufräumen. Welch eine Mischung, Deutsche und Ägypter: Tüchtigkeit bei Tag und Sinnlichkeit bei Nacht. Teutonische Technologie und die Wildheit der Beduinen, Beethoven und Haschisch. Wenn ich überlebe, Assiut erreiche und Rommel benachrichtige. Dann kann Rommel die letzte Brücke überqueren, die letzte Verteidigungslinie zerstören und die Briten vernichten. Welch ein Sieg! Wenn ich es schaffe. Welch ein Triumph! Welch ein Triumph! Welch ein Triumph!
*
Mir wird nicht übel, mir wird nicht übel, mir wird nicht übel. Der Zug rattert über die Schienen und sagt es für mich: Ich bin zu alt, um mich im Zug zu übergeben. Das habe ich getan, als ich acht Jahre alt war. Dad nahm mich mit nach Alexandria, kaufte mir Bonbons und Orangen und Limonade. Ich hatte zuviel gegessen. Nicht daran denken, mir wird übel, wenn ich nur daran denke. Elene hat Schokolade gekauft, aber ich habe abgelehnt. Kinder lehnen Schokolade nie ab, aber ich bin fast erwachsen. Da sind die Pyramiden, eins, zwei, und die kleine muß Gise sein. Wohin fahren wir? Er sollte mich zur Schule bringen, aber dann zog er das Messer. Es ist gebogen. Er wird mir den Kopf abschneiden, wo ist Dad? Ich sollte in der Schule sein, wir haben heute in der ersten Stunde Geographie, eine Prüfung über die norwegischen Fjorde. Gestern abend habe ich alles gelernt. Es wäre nicht nötig gewesen, ich habe die Prüfung verpaßt. Inzwischen ist sie fast beendet, und Mr. Johnstone sammelt die Arbeiten ein.
Wenn ich nur in der Schule wäre. Wenn Elene nur den Arm um mich legte. Wenn der Mann nur aufhörte, mich so zufrieden anzustarren. Er muß verrückt sein. Wo ist Dad? Wenn ich nicht an das Messer denke, ist es genauso, als wäre es nicht da. Ich darf nicht an das Messerdenken. Es ist aber unmöglich, absichtlich nicht an etwas zu denken. Wenn ich einen Polizisten sehe, werde ich rufen: Retten Sie mich, retten Sie mich! Ich werde so schnell sein, daß er mich nicht aufhalten kann. Vielleicht sehe ich einen Offizier, einen General. Ich werde rufen: Guten Morgen, Herr General! Er wird mich überrascht ansehen und sagen: Na, mein Junge, du bist ein prächtiger Bursche! Entschuldigen Sie, Sir, werde ich sagen, ich bin Major Vandams Sohn. Dieser Mann nimmt mich mit, mein Vater weiß nichts davon. Tut mir leid, Sie zu belästigen, aber ich brauche Hilfe. Was? antwortet der General. Hören Sie, Sir, das können Sie mit dem Sohn eines britischen Offiziers nicht machen! So geht das nicht! Also verschwinden Sie schon! Wofür, zum Teufel, halten Sie sich eigentlich? Und Sie brauchen gar nicht mit Ihrem kleinen Taschenmesser herumzufuchteln, ich habe eine Pistole! Du bist ein tapferer Kerl, Billy.
Ich bin ein tapferer Kerl. Jeden Tag werden Männer in der Wüste getötet. Zu Hause fallen Bomben. Schiffe auf dem Atlantik werden von U-Booten versenkt, Männer stürzen ins eisige Wasser und ertrinken. Piloten werden über Frankreich abgeschossen. Alle sind mutig. Kopf hoch! Zur Hölle mit diesem Krieg. Das sagen sie immer wieder: Zur Hölle mit diesem Krieg. Dann klettern sie ins Cockpit, laufen in den Luftschutzbunker, greifen die nächste Düne an, feuern Torpedos auf die U-Boote, schreiben Briefe nach Hause. Ich habe es immer für aufregend gehalten. Nun weiß ich es besser. Es ist überhaupt nicht aufregend, übel wird einem davon.
*
Billy ist so blaß. Er fühlt sich schlecht, aber er versucht, tapfer zu sein. Es wäre besser, wenn er sich wie ein Kind benähme. Er sollte schreien und weinen. Damit würde Wolff nicht fertig werden. Aber das wird Billy natürlichnicht tun, denn man hat ihn gelehrt, die Tränen zu unterdrücken, sich zu beherrschen. Er weiß, wie sein Vater sich verhalten würde. Jeder Junge
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