Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry
Inspektor Hester. „Dem steht nichts im Wege. Sie können uns nachher in Moncktons Kellerbar begleiten. Halten Sie die Augen und Ohren offen, Sergeant! Sie kennen diese Frauenzimmer besser als wir. Sie hatten ja jahrelang mit ihnen zu tun, nicht wahr? Es soll mir nur recht sein, wenn wir einen Fachmann bei uns haben.“
Abends um fünf Uhr war es endlich so weit. Inspektor Hester räumte seinen Schreibtisch auf und verschloß die Protokolle im Aktenschrank. Anschließend nahm er Hut und Mantel aus dem Kleiderspind.
„Wir können gehen“, sagte er förmlich. „Fahren Sie den Dienstwagen vor, Swan! Halten Sie am dritten Seitentor!“
Fünf Minuten später begann die Fahrt. Es ging in den Osten hinüber. Das Stadtviertel Stepney tauchte aus dem Dunst auf. Die Dächer glänzten naß vom ewigen Regen. Auf der Straße verschwammen die verwaschenen Farben der Lichtreklamen. Vor dem Saalbau des Polizeivereins London Ost hielt Wachtmeister Swan den Wagen an.
„Wir sind da, Sir“, sagte er einsilbig. „Wollen Sie vorausgehen?“
Inspektor Hester übernahm wortlos die Führung. Er schritt als erster die ausgetretenen Stufen zur Kellerbar hinunter und räusperte sich abfällig, als ihm der Geruch des Lasters in die Nase stieg. Mit sichtlichem Widerwillen ging er in das schummerige Lokal hinein. Um diese frühe Abendstunde war noch nicht viel Betrieb. Sechs, sieben Venustöchter saßen in der Nähe des Büfetts und verzehrten ein billiges Eintopfgericht. Von Kavalieren war noch nichts zu sehen. Die beiden Kellner waren die einzigen Männer im ganzen Raum.
„Fragen Sie Sandra Bourdon“, murmelte Wachtmeister Swan gedämpft. „Sie war sehr häufig mit Lissy Black zusammen. Vielleicht kann sie uns etwas sagen.“
„Dieses Amt“, meinte Inspektor Hester, „soll Sergeant Robinson übernehmen. Er versteht mit diesen Damen besser umzugehen. Ich kann diese käuflichen Dirnen nicht leiden.“
Sergeant Robinson verstand es wirklich ausgezeichnet, seine langhaarigen Schäfchen zu behandeln. Er brauchte Sandra Bourdon nur einen Wink zu geben, da kam sie auch schon angetrippelt.
„Wenig Freier heute“, meinte er grinsend. „Da ist es nur gut, wenn wir Ihnen etwas Unterhaltung bieten. Haben ein paar kleine Fragen an Sie. Es handelt sich um Lissy Black. Sie kannten sie doch gut?“
„Und ob“, sagte Sandra Bourdon mit heiserer Raucherstimme. „Wir waren wie Schwestern, Sergeant. Es gab keine Geheimnisse zwischen uns.“
Sergeant Robinson musterte sie verstohlen, während sie sprach. Sie war früher einmal Zirkusreiterin gewesen und jahrelang mit einem Stallburschen gegangen. Anscheinend war ihr dieses traute Glück zu langweilig geworden. Jedenfalls hatte sie die freie Liebe einer ehelichen Bindung vorgezogen.
„Haben Sie einen Verdacht, wer Lissy Black getötet haben könnte?“, forschte er gespannt. „Sie brauchen keine Hemmungen zu haben. Sprechen Sie sich offen aus.“
Sandra Bourdon nahm ihre lange Zigarettenspitze zwischen die Lippen und blies blaue Rauchwolken vor sich hin.
„Ich kann Ihnen leider nicht helfen, Sergeant“, sagte sie bedauernd. „Ich habe keine Ahnung, wer Lissy Black nach dem Leben trachtete. Sie hatte keinen festen Freund. Sie hatte auch keine Feinde. Sie ist ihrem Mörder sicher ahnungslos in die Arme gelaufen. Und bestimmt hat sie bis zuletzt nicht geglaubt, daß sie sterben sollte.“
„Etwas anderes“, warf Sergant Robinson hastig ein. „Kennen Sie einen gewissen Mack Rupper?“ „Natürlich“, meinte Sandra Bourdon schaudernd. „Wer kennt ihn nicht. Ich las die Berichte über seine dreckigen Morde in den Zeitungen. Das muß ein wahrer Teufel sein, Sergeant!"
„Hm. Das ist er. Wir würden ihm noch heute nacht das Handwerk legen, wenn wir könnten. Ein winziger Tip würde uns genügen. Ich hoffte, diesen Tip von Ihnen zu bekommen.“
„Von mir?“
„Ja, von Ihnen. Wenn Lissy Black kein Geheimnis vor Ihnen hatte, so müssen Sie auch wissen, ob sie früher einmal mit Mack Rupper befreundet war.“
„Um Gotteswillen!“, fuhr Sandra Bourdon entgeistert auf. „Was sind das für Scherze. Wer nimmt sich schon einen Mörder zum Freund?“
„War Mack Rupper nie hier im Lokal?“
„Nein, niemals, Sir!“
„Wissen Sie das bestimmt?“
„Ja, ganz bestimmt.“
Sergeant Robinson zuckte entmutigt mit den Achseln und kehrte zu Inspektor Hester und Wachtmeister Swan zurück.
„Leider nichts zu machen“, murmelte er ergrimmt. „Ich glaube, wir sind auf der falschen
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