Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry
Darunter wurde eine klaffende Brustwunde sichtbar. In dem wachsgelben Gesicht war eine entsetzliche Todesangst eingeprägt. Der blutleere Mund, der eben noch gellende Angstschreie ausgestoßen hatte, war nun stumm. In den gebrochenen Augen wohnte das Grauen.
„Bei Gott und allen Heiligen“, murmelte Frederick Lawes verstört. „Hätte ich das geahnt, so wäre ich nie in dieses Zimmer gekommen. In meinem ganzen Leben habe ich so etwas noch nicht gesehen.“
Sein Selbstgespräch wurde jäh unterbrochen. Unter lautem Lärmen öffnete sich die Tür. Drei, vier Hausbewohner drangen ins Zimmer ein. Sie schrien laut durcheinander, als sie die Tote auf dem Sofa erblickten.
„Das hat sie nun von ihrem tollen Lebenswandel“, sagte ein bärtiger Alter. „Dieses Ende hätte ich ihr schon vor Jahren prophezeien können. Wird ein eifersüchtiger Liebhaber gewesen sein, der diesen gemeinen Schlußstrich zog.“
Frederick Lawes schielte mit schrägen Blicken zur Tür. Er versuchte, sich langsam an den aufgeregten Leuten vorbeizudrücken. Er hatte auch schon fast die Schwelle erreicht, da hielt ihn jemand am Kragen fest.
„Sie bleiben hier“, plärrte eine laute Stimme. „Sie werden warten, bis die Polizei erscheint. Der Hausmeister hat die Cops wegen Ruhestörung alarmiert. Sie werden gleich da sein.“
Frederick Lawes fiel von einem Entsetzen in das andere. Scheu verkroch er sich in den Winkel zwischen Schrank und Tür. Sein Gesicht war weiß wie ein Handtuch.
„Das kann ja gut werden“, stammelte er. „Ich weiß doch überhaupt nicht, was hier passiert ist. Ich habe mit dem Mord nichts zu tun. Ich wollte doch nur mit dem Mädchen . . .“
„Klappe halten!“, schrie jemand im Hintergrund. „Die Cops kommen!“
Frederick Lawes wäre am liebsten im Erdboden versunken. Sein fallles Gesicht wurde grün vor Aufregung. Mit unruhigen Blicken sah er den Uniformierten entgegen, die mit raschen Schritten über die Schwelle traten.
„Was ist hier los?“, fragte ein stämmiger Sergeant. „Von wem wird hier die Ruhe gestört? Hat sich nicht jemand über den Lärm bei Lissy Black beklagt?“
„Sie ist tot“, murmelte Frederick Lawes heiser. „Eine Tote macht keinen Lärm mehr. Und wenn sie vorhin geschrien hat, so ist es nur die Angst gewesen . . . die panische Todesangst vor einem Mörder.“
Frederick Lawes hätte lieber still sein sollen. Dann hätte er sich vielleicht immer noch in einem günstigen Moment davonschleichen können. Doch nun stand er plötzlich im Mittelpunkt des Interesses.
„Wer sind Sie?“, wollte der Sergeant wissen.
„Frederick Lawes.“
„Hm. Der Name sagt mir nicht viel. Wie kommen Sie hierher? Sie wohnen doch gar nicht in diesem Haus.“
„Nein, äh . . . ich wollte nur diese eine Nacht . . . ich wurde in Moncktons Kellerbar von Lissy Black eingeladen, mit ihr in dieses Zimmer . . .“
„Verstehe“, brummte der Sergeant abfällig. „Sie haben ein paar Scheine zuviel in der Tasche, wie? Die wollten Sie nun unbedingt bei Lissy Black loswerden. Aber der Tod war schneller als die Liebe. Wie kam es zu dem Mord? Reden Sie!"
Frederick Lawes erzählte stotternd, daß er noch einmal kurz weggegangen sei, um Schnaps einzukaufen. Die Flasche, die er noch immer in den verkrampften Händen hielt, war der beste Beweis für die Wahrheit seiner Worte. „In der Zwischenzeit ist es passiert“, murmelte er dumpf. „Als ich zurückkam, war alles schon vorüber. Ich fand Lissy Black so, wie sie jetzt vor Ihnen liegt.“
Als etwas später die Mordkommission eintraf, konnte der Polizeiarzt ohne viel Mühe feststellen, daß Lissy Black nicht viel anders gestorben war als Sergeant Waldram. Auch jetzt konnte man eine Patrone ans Tageslicht befördern, deren Spitze abgefeilt war. Das Kaliber war 9 mm, die Form des Geschosses plump und bauchig.
„Mack Rupper“, stammelte der Polizeiarzt gepreßt. „Mack Rupper scheint wieder in der Nähe zu sein, meine Herren! Es sind seine Patronen. Es ist genau seine Art zu morden. So schurkisch geht kein anderer zu Werk.“
„Mack Rupper“, sagte der leitende Beamte der Mordkommission, „wurde seit Tagen nicht mehr in London gesehen. Weder seine Braut noch seine Freunde wissen, wo er sich zur Zeit aufhält. Wenn er sich in irgendeinem Versteck verkrochen hat, dann ist es doch höchst merkwürdig, daß er mit immer neuen Morden alle Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Irgend etwas paßt da nicht zusammen.“
„Darf ich jetzt gehen?“, fragte eine
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