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Der Schmerz der Engel: Roman (German Edition)

Der Schmerz der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Der Schmerz der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
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der Minister für Islandangelegenheiten?, fragt der Junge. Hjalti lacht, und Bjarni lächelt matt. Nicht unvorteilhaft, so vornehme und mächtige Herrn abrichten zu können.
    Die vier Männer betrachten den Hund und heitern sich an seinem Namen auf. Ein Kindergemüt lässt sich jedoch nicht so leicht ablenken. Als Þóra sich zu ihr legt, richtet Beta sich auf, blickt mit roten Augen ihren Vater an und fragt: Das war Mama, die mit diesen Männern gekommen ist, nicht wahr?
    Bjarni sieht sie ganz erschrocken an, und der Spaß am Namen des Hundes verfliegt.
    Schlaf jetzt, Kleines, sagt Hjalti ruhig und warmherzig, das ist das Allerbeste.
    Beta legt sich gehorsam neben ihre Schwester, richtet sich aber noch einmal auf. Glaubst du, sie ist noch immer da draußen? Sollten wir ihr dann nicht die Tür aufmachen? Ihr muss doch kalt sein.
    Sie ist tot, sagt Þóra, und zieht Beta zu sich herab. Ihr ist nicht kalt, sie ist einfach nur tot.
    Aber warum kommt sie nicht zu uns herein, wenn sie mit diesen Männern draußen war?
    Þóra dreht sich um. Papa, bittet sie, Papa.
    Wir können es nicht ungeschehen machen, Beta, sagt Bjarni.
    Aber vielleicht ist sie ja nicht tot!, schreit Beta plötzlich laut und setzt sich wieder auf. Von ihrem Schreien erwacht der Kleine und fängt an zu weinen. Der Hund winselt leise, da nimmt Steinólfur den Kleinen in den Arm, und er schläft wieder ein.
    Ich habe Angst, Papa, sagt Þóra.
    Es ist alles in Ordnung, ich bin ja hier.
    Ich weiß, sagt sie.
    Bestimmt will noch jemand etwas Kaffee, sagt Hjalti, nachdem sie lange geschwiegen und dem Sturm gelauscht haben. Er steht auf und geht hinaus. Bjarni hat nichts dagegen, dass Hjalti in diesem Haus in so kurzer Zeit schon zum zweiten Mal Kaffee kocht, und zwar mehr als nottäte; es macht ihm nichts aus, obwohl der Kaffee zur Neige geht. Bevor die Besucher gekommen sind, hatten sie noch genug für zehn Tage. Eigentlich hätte er Hjalti nachgerufen: Aber mach ihn dünn!, doch dazu ist er zu stolz. Der Junge kann ein Gähnen nicht unterdrücken, er würde gern schlafen gehen, muss sich aber noch etwas gedulden. Bjarni räuspert sich, spuckt aus, erhebt sich und sieht nach den Kindern; weinende Kinder schlafen schneller ein, man findet doch immer einen Trost auf dieser Welt. Hjalti kommt mit dem Kaffee. Er balanciert auf unsicheren Beinen. Sie trinken dünnen Kaffee, Bjarni wiegt den Oberkörper vor und zurück, fragt Jens nach seinen Touren mit der Post, scheint aber gar nicht richtig zuzuhören, obwohl alles, was Jens zu berichten weiß, hier als außergewöhnliche Neuigkeit gelten muss. Einmal fällt Bjarni dem Landbriefträger mitten in einem Satz ins Wort und Jens bricht ab, als habe er nur darauf gewartet.
    Vor zehn Tagen ist sie gestorben, sagt Bjarni. Am gleichen Tag, an dem der Sturm losbrach. Darum können wir nicht weg. Man braucht ein paar Leute, um hier einen Sarg zu transportieren.
    Wie?, erkundigt sich Jens ruhig.
    Sie war den ganzen Winter über schwach, antwortet Bjarni, den Blick auf die Tasse geheftet.
    Und dann hat sie noch diese Lappen am Körper getragen, sagt Hjalti.
    Bjarni blickt rasch auf: Erzähl nicht solchen Unsinn!
    Das ist kein Unsinn.
    Das war doch nicht die Ursache. Ich habe doch gesagt, sie war den ganzen Winter über krank, wiederholt Bjarni.
    Was für Lappen?, fragt der Junge.
    Von dem Kleinen, sagt Hjalti. Seine Windeln, sie waren so feucht, und das kleine Kerlchen fror, da hat Ásta die Windeln unters Kleid gesteckt, damit sie einmal richtig trocken würden. Und danach ging es ihr schlechter.
    Ich habe dir verboten, davon zu sprechen, sagt Bjarni.
    Sie schlafen doch, erwidert Hjalti. Außerdem will ich diesen Männern nur erklären, was für ein Mensch sie war. Eine absolute Perle nämlich, sagt er und schaut Jens und den Jungen an.
    In den Deckenhaufen kommt Bewegung, die alte Frau richtet sich auf und jammert: Eijeijei, eijeijei.
    Es ist ein Elend, alt zu werden, sagt Hjalti. Möge Gott mich davor bewahren!
    Während Bjarni sich um seine jammernde Mutter kümmert, überwältigt den Jungen Müdigkeit, ihm wird schwarz vor Augen.
    Jetzt kann ich schlafen, sagt Jens neben ihm und zugleich meilenweit entfernt. Sie teilen sich ein Bett, es ist eng.
    Mensch, bist du groß, murmelt der Junge und rückt sich zurecht. Kann man nicht ein bisschen was von dir abschneiden, oder brauchst du das wirklich alles?
    Halt die Klappe, knurrt Jens zurück, und Hjalti löscht die Lichter.
    Wozu mag sie euch geholt haben?, fragt Bjarni

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