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Der Schmerz der Engel: Roman (German Edition)

Der Schmerz der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Der Schmerz der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
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Fremden fern, es krabbelt schnell direkt zu dem Hund hinüber und legt sich bei ihm auf den Bauch. Der Hund erhebt sich, leckt das Kind ab und ringelt sich dann wärmend um es herum.
    Jetzt gibt es bald Kaffee und Geflügel für euch, sagt Bjarni und muss kurz die Stimme erheben, um eine heftige Bö zu übertönen. Da kommt Bewegung in einen Haufen alter Fetzen, und eine Greisin richtet sich auf, ihr Kopf ist ganz eingeschrumpft vor Alter und das faltige Gesicht so von weißen Haaren überzogen, dass es aussieht wie verschimmelt.
    Kaffee?, krächzt sie fragend.
    Ja, du bekommst deinen Kaffee, Mama, ruft Bjarni zu ihr hin; da legt sie sich und wird wieder zu einem Haufen alter Lappen.
    Sie bekommen einen eingesalzenen Seevogel vorgesetzt und fallen darüber her, schlürfen dünnen Kaffee dazu, versuchen dabei noch, sich zurückzuhalten und einen letzten Rest menschlichen Benehmens zu bewahren. Das Mädchen geht mehrfach hinaus, um noch mehr Schnee für Wasser zu holen. Sie sitzen nebeneinander über das Essen gebeugt, ihnen ist kühl, und sie sind froh, dass die Geräusche des Sturms die Stille ausfüllen. Die Hausbewohner verfolgen jeden Bissen, jeden Schluck mit den Augen, nur die Alte nicht, die sich abermals hingelegt hat, nachdem Bjarni dem Mädchen dabei behilflich war, ihr ein paar Tropfen Kaffee einzuflößen, wenige Schlucke nur, von denen ebenso viele in sie hinein- wie danebenflossen. Sie gab ein leises Glückswimmern von sich und versank in Schweigen und in den Nebeln des Alters.
    Seit fünfzehn Wochen ist hier niemand mehr zu Besuch gewesen, teilt Bjarni ihnen schließlich mit, als sie den Vogel weitgehend verspeist haben. Er ist so salzig, dass man den gammeligen Trangeschmack kaum merkt.
    Sechzehn, brummt Hjalti.
    Meinetwegen, sagt Bjarni, fünfzehn oder sechzehn, auf die eine Woche kommt’s nicht an. Aber der Landbriefträger ist noch nie hier vorbeigekommen, setzt er nach langem Schweigen hinzu. Ehrlich gesagt, begreife ich überhaupt nicht, wie ihr es bis hierher geschafft habt, und noch weniger, weshalb.
    Der Teufel hat sie mit Tritten zu uns getrieben, sagt Hjalti und lacht, er reißt den Mund auf, sie sehen seinen Gaumen und ein paar braune Zähne. Die alte Frau piepst etwas. Bjarni schaut mit unergründlicher Miene abwechselnd auf seine Mutter und auf Hjalti.
    Wir sind in einen Sturm geraten, erklärt Jens, und haben uns verloren.
    Ich habe mich verlaufen, fällt der Junge ein, und bin ziemlich weit vom Weg abgekommen, aber er hat mich rechtzeitig gefunden, gerade noch so.
    Es gab nicht viele Möglichkeiten, sagt Jens, aber es macht einen auf Dauer ganz schön müde, lange durch so ein Wetter zu laufen, wenn man nicht weiß, wo’s langgeht.
    Ja, stimmt der Junge zu, und dann … Aber er bricht ab, als er Jens’ Gesicht sieht.
    Ja?, fragt Bjarni. Die Kinder und der Knecht sehen sie alle gebannt an, nur das Kleinste ist neben dem Hund selig eingeschlafen. Jens und der Junge tauschen schnell einen Blick und gucken dann zur Seite – als würde ihnen, unabhängig voneinander, beiden erst jetzt auffallen, dass keine Frau anwesend ist.
    Bjarni: Und was dann?
    Jens richtet sich auf und ist plötzlich um die Hälfte größer als der Junge. Der Junge hier meint, oben in den Bergen sei uns eine Frau entgegengekommen und habe uns hierher geführt.
    Der Junge stur: Ich meine nicht. Sie hat mich gerettet. So war es einfach. Und sie hat uns hierher geführt.
    Bjarni räuspert sich. Eine Frau, sagt er. Das ist merkwürdig. Wie sah sie aus?
    Nun ja, sagt der Junge, groß, würde ich sagen; doch, sicher groß und mit scharfen, dunklen Augen und dunklen Haaren, lang, schlank, ja, und … Er kratzt sich am Kopf, die schmutzigen, fettigen Haare, und ist zu sehr damit beschäftigt, sich an das Aussehen der Frau zu erinnern, um die plötzlich eigenartige, wenn nicht gar unerträgliche Atmosphäre im Raum mitzubekommen. Jens’ Schultern aber sinken herab, als ob er kleiner würde.
    Teufel, sagt Hjalti.
    Der ältere Junge, sieben oder acht Jahre alt, rotes Haar, legt sich ruhig, als sei er müde, zu Bett. Einige Atemzüge lang liegt er bewegungslos, dann fängt der schmale, magere Leib an, leise zu zittern. Bjarni blickt lange zu dem Jungen hinüber, streckt die Hände nach ihm aus, nimmt sie zurück und legt sie in den Schoß.
    Das Haus erzittert unter einem kräftigen Windstoß, und es ist nicht möglich zu reden. Dann geht er vorüber, wie alles früher oder später vorübergeht, Glück und Unglück, Schmerz und

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