Der Schmerz der Engel: Roman (German Edition)
Kinder bekamen sie, eins starb schon nach wenigen Wochen, Salvörs Haut verlor nach und nach ihre Zauberkraft und wurde gräulich. Es folgten harte Winter, trockene, kalte Sommer, seine Reisen dehnten sich aus, es fiel ihm immer schwerer, wieder nach Hause zurückzukehren, manchmal schien es ihm unerträglich. Kleinlichkeit brütete über der Hütte, Salvörs Vorwürfe, ihre graue Haut. Auf anderen Höfen passten Frauen ihn in dunklen Gängen ab, da war er ein anderer Mann, mehr Mann, das Leben wies mehr Farben auf. Sein Leben driftete in zwei verschiedene Welten auseinander, und am Ende war der Abstand unüberbrückbar geworden. Auf der einen Seite ausgelassene Stunden unter Leuten, mit Schnaps, Gesang und Geschichten, mit Anerkennung und Beliebtheit, auf der anderen das niederdrückende Zuhause, der verfluchte Steinacker, die patschnassen Wiesen, der Mangel an Gesellschaft, die Freudlosigkeit. Je näher die Heimreise rückte, umso besinnungsloser trank er, konnte sich kaum auf dem Pferd halten, wenn er schließlich heimkam. Das Leben verfährt mit jedem anders, für manche ist der Schnaps die ewige Quelle seliger Freude, bei anderen verwandelt sie sich in schwarze Lust, die etwas aus unserem Unbewussten freisetzt, das wir gar nicht an uns gekannt haben und das dunkel und schrecklich ist.
Beim ersten Mal schlug er Salvör ganz überraschend.
Fast unwillentlich.
Nur um sie zum Schweigen zu bringen. Um endlich einmal Ruhe zu haben. Sie sollte einmal das Maul halten!
Er bekam seine Ruhe. Sie verstummte auf der Stelle und ließ ihn völlig in Frieden; es war eine unglaubliche Erleichterung und Erholung. Am nächsten Tag tat es ihm schrecklich leid, ich begreife nicht, wie ich dazu imstande sein konnte, wie kannst du mir vergeben, Salvör, ich bringe mich lieber um, als dich noch einmal zu schlagen!
Trotzdem schlug er sie wieder, am nächsten Tag.
Und wieder.
Er prügelte nicht, um sie zu verletzen, die Schläge waren mehr Ausbrüche, seine Vorwürfe gegen das Leben, die Enttäuschung, das Unrecht, das Grau, das ihn jedes Mal erwartete, wenn er nach Hause kam.
Einmal blieb er fünf Wochen fort und wollte nie wieder zurück. Er heuerte sogar bei einem der Großbauern an und ruderte in dessen Boot ein paar Fischzüge mit, an den Abenden unterhielt er die Familie und das Gesinde mit seinen Reimen und Geschichten, mit seiner Stimme und seiner Gegenwart, er wurde geliebt und verehrt, eine dunkelblonde Magd, nur zwanzig Jahre alt und fröhlich, schlich mit ihm hinaus in den Schafstall, das waren keine Seitensprünge, sondern das Leben selbst, der Beweis, dass er noch lebendig war. Er trank, wurde aber bloß immer ausgelassener davon, vielleicht ein bisschen schadenfroh hin und wieder, dann auch melancholisch und sogar depressiv, was ihm aber auf gewisse Weise Größe verlieh. Dennoch ritt er am Ende nach Hause. Es gab keinen anderen Weg. Sturzbetrunken, das Pferd ständig stolpernd, die elende Mähre, alte Hippe, kein Staat mit ihr zu machen, und Salvör erwartete ihn mit ihren Vorwürfen, mit ihrer grauen Haut, den erloschenen Augen, kein Staat mit ihr zu machen. Diesmal prügelte er sie, bis sie nicht mehr stehen konnte. Bis sie, Arme und Beine unter den Körper gezogen und den Kopf am Boden, dalag. Zusammengekauert, als würde sie ihn erwarten. Bedächtig ließ er sich hinter ihr nieder, schob den Rock in die Höhe, ließ die Hose herab und nahm sie wie ein wütender Hund. Erst sagte sie: Nein, Kristján, nein, tu’s nicht! Nicht das, und versuchte sich zu wehren, ihn abzuschütteln, aber sie hatte nicht die Kraft dazu, dann hielt sie resigniert still, zur Aufgabe geprügelt, vollkommen still, während er auf sie einrammelte und stöhnte. So reglos, als wolle sie ihn nicht stören, als sei das, was er mit ihr anstellte, so sensibel, dass die geringste Störung es unterbrechen könnte. Sie presste nur die Stirn so fest wie möglich an den Boden und hoffte, dass wenigstens die Kinder schliefen. Er war nicht wirklich böse, es war lediglich das Leben, das ihn dazu hinriss. Die Enttäuschung, nicht der sein zu dürfen, der er eigentlich war. Trotzdem konnte sie ihren Hass nicht beherrschen, sie hasste ihn so ingrimmig, dass die Wut sie übermannte. Mit einem unterdrückten Stöhnen kam Kristján, erhob sich, ließ sich auf einen Stuhl fallen und betrachtete Salvör, als hätte er sie noch nie gesehen oder als hätte sie nicht das Geringste mit ihm zu tun, er setzte schwer einen Fuß auf sie, wie staunend, verzog das
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