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Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Conrath
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Fingernägel: »Deine Mutter ist eine Hure!«
    Lars stöhnte, sprang auf, warf seinen schweren Holzstuhl um und war mit drei großen Schritten bei Frau Selm-Böden, griff sie am Kragen ihres Kleides, zog sie hoch, bis sie auf den Zehenspitzen stand. Die Klasse erstarrte, kein Mucks war mehr zu hören. »Ich werde dich ficken, bis du Blut spuckst, du Fotze«, hauchte er ihr ins kalkweiße Gesicht. Dann ließ er sie fallen wie ein ekliges Insekt, sie kam auf beiden Füßen zu stehen, der Geruch ihres Angstschweißes stieg ihm in die Nase.
    Er musste schleunigst hier weg, bevor er kotzen musste oder ihr doch das Gesicht zu Brei schlug. Langsam ging er zu seinem Platz zurück, man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Lars nahm seine Schultasche, stopfte die Bücher hinein,die noch auf seinem Tisch lagen, schaute in die fassungslosen Gesichter seiner Schulkameraden und verließ den Klassenraum, ohne noch einmal zurückzublicken. Die Tür schloss er so vorsichtig, als wäre ein Zünder eingebaut, der bei zu viel Druck eine gigantische Bombe zündete.
    Auf dem Flur wischte er sich Krümel von seinem schwarzen T-Shirt, die gar nicht vorhanden waren, dann atmete er zweimal tief ein und aus. Das war seine letzte Stunde »Ethische Bildung« gewesen, so oder so, daran bestand nicht der geringste Zweifel. Sein Herzschlag beruhigte sich, mit einer Handbewegung, die einem Herrscher gut gestanden hätte, fegte er sich die Haare aus dem Gesicht.
    Diese Fotze würde nicht ungestraft davonkommen, das stand fest. Heute Abend würde er ein Ritual zelebrieren, das ihm Höhe und Art der Strafe offenbaren würde. Luzifer würde ihn nicht im Stich lassen, Luzifer hatte ihn noch nie im Stich gelassen.
    Der Schulhof war menschenleer. Die hypermoderne abstrakte Skulptur, die vor drei Jahren in der Mitte aufgestellt worden war und fast hunderttausend Euro gekostet hatte, war mal wieder mit einem Graffiti beschmiert. Wahrscheinlich irgendwelche pubertierenden Rüpel aus der Mittelstufe.
    Sein Rennrad hatte Lars an einen Laternenmast angeschlossen. Er fummelte den Schlüssel ins Schloss, in seinem Kopf drehte sich alles, er musste einen Moment innehalten und stützte sich an dem kühlen Metall ab. Bitte nicht jetzt. Seit seiner Kindheit verlor er immer wieder das Bewusstsein, aber er kippte nicht einfach um; wenn er wieder aufwachte, war er irgendwo anders, meistens aber zu Hause. Was in der Zeit dazwischen geschehen war, wusste er nicht mehr. Sein Kopf war untersucht worden, aber kein Arzt hatte etwas gefunden. Das Schwindelgefühl ließ nach, sein Verstand klarte auf, aberimmer wieder wehten ihm die verderbten Worte dieser Fotze durch den Kopf: »Deine Mutter ist eine Hure!«
    *
    Endlich bin ich mit Friedel allein. Ich sitze an meinem Mischpult, alles ist bereit. Die Geräte summen fast unhörbar, das digitale Aufnahme- und Schnittprogramm wartet auf Input.
    Diese Software ist schlicht genial. Früher hätte ein Studio mit achtundvierzig oder mehr Spuren zweihunderttausend Euro gekostet, heute brauche in nur einen PC für tausend und Software für einhundertfünfzig Euro. Kostspielig ist nach wie vor die Musikanlage, die Boxen zum Abhören des Sounds. Da habe ich nicht gespart. Je ein Paar Tannoy- und Bose-Studiomonitore mit der entsprechenden Audiohardware, um sie optimal an meinen Aufnahmeraum anzupassen haben knapp zehntausend Euro gekostet. Aber die Dinger sind jeden verdammten Euro wert. Ein Mischpult habe ich nicht, das läuft alles über die Mehrspursoundkarte, ebenfalls ein Wunderwerk der Technik und mit achthundert Euro spottbillig im Vergleich zu den Mixingkonsolen für dreißig- oder vierzigtausend Euro. Vor zwanzig oder dreißig Jahren hätte ich mein Projekt nicht umsetzen können, heute in der digitalen Zeit   – kein Problem. Was mir immer noch fehlt, ist ein Gerät, das es noch nicht gibt, das in der Lage ist, ganze Körper zu digitalisieren. Dann könnte ich sie auf Festplatten ins Regal stellen. Dann könnte ich Menschen sammeln, unendlich viele!
    Ich rufe mich zur Ordnung. Jetzt ist nicht die Zeit zu träumen. Es gibt viel zu tun! Als Erstes muss Friedel von seiner Angst befreit werden. Das geht nicht mit Medikamenten, denndann ist er nicht mehr in der Lage, mir zu geben, was ich von ihm will, was ich von ihm brauche.
    Es ist Dienstag, es ist vierzehn Uhr siebzehn. Ich habe ihm das Weckmittel gespritzt. Da, seine Lider beginnen zu flattern. Er öffnet die Augen, zuerst begreift er nichts, wie alle, die aus der

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