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Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Conrath
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Geste kam einem Befehl gleich: »Erklärt euch, sofort!«
    Fran kaute weiter, und wenn es nach ihr gegangen wäre, konnte er lange warten.
    Anstatt einfach zu fragen, worüber sie denn gelacht hatten, tat er, als hätten sie Seine Majestät beleidigt, weil sie ein Geheimnis hatten, das aber nur deshalb ein Geheimnis war, weil der große James Miller eben nicht alles wusste, alles konnte und alles kannte. Weil er keine Ahnung hatte von Opern, obwohl seine Tochter Anne eine der besten Sopranistinnen der Deutschen Oper am Rhein war. James Miller war nach wie vor ein engstirniger Banause.
    Fran spürte, dass die Wut auf ihren Vater bald einen kritischen Punkt erreichen würde, und war der überschritten, dann würde sie sich nicht mehr beherrschen können.
    Anne hielt den tadelnden Blick ihres Vaters nicht aus. Sie erklärte ihm, dass die Figur der Mimì eine sogenannte Midinette war: eine Näherin oder Putzmacherin, Wäscherin oder Arbeiterin aus dem Bereich der oberen Unterschicht Frankreichs im neunzehnten Jahrhunderts. Und Mimì im Besonderen war eine Grisette, was, auf heutige Verhältnisse übertragen, so etwas wie die Viertelschlampe ist. Sie wurde rot, ob aus Scham oder Angst, konnte Fran nicht beurteilen. »Aber ich spiele die Rolle ja nur«, beeilte sich Anne zu erklären.
    Fast hatte sie sich verplappert, aber Dad hätte, selbst wenn er Anne mit fünf Männern im Bett erwischt hätte, nicht geglaubt, was er gesehen hätte. Fran unterdrückte den Drang loszuprusten, denn ihr Vater machte ein Gesicht, als hätte man ihm eröffnet, dass seine Töchter fortgesetzt Ladendiebstahl begangen hätten.
    »Du solltest dich bei deiner Schwester entschuldigen«, sagte er, ohne die Miene zu verziehen, und fixierte den Kloß auf seinem Teller.
    Fran hob die Augenbrauen, wollte etwas erwidern, aber Anne kam ihr zuvor.
    »Aber ja, Dad.« Sie wandte sich an Fran. »Entschuldige bitte, dass ich dir unterstellt habe, dass du ein langweiliges Sexleben hast.«
    Fran hielt die Luft an. Anne lehnte sich heute aber weit aus dem Fenster, sie war geradezu dreist.
    »Du weißt genau, was ich meine, Anne«, knurrte Dad.
    Anne senkte den Blick, ihr Pulver war verschossen. Wie immer gab sie letztlich klein bei, das war schon so gewesen, als sie noch Mädchen gewesen waren.
    Fran legte ihr Besteck auf den Tisch, langsam und ohne Geräusch. »Das musst du uns schon erklären. Du solltest nämlich wissen, dass wir nach wie vor keine Gedanken lesen können. Auch deine nicht, selbst wenn du ihnen dramatische Gesten verleihst.«
    Dad stand auf, beugte sich zu Fran hinunter. »Kommst du bitte mal kurz in die Küche?«
    Fran warf einen Blick auf ihre Mutter, die ebenso wie Anne den Kopf gesenkt hielt. Also gut, das war die Gelegenheit zu klären, was los war. Ihr Dad ging vor, Fran kam hinterher, in ihren Ohren hörte sie das Blut rauschen. »Bleib ruhig«, sagte sie sich. »Es ist der Geburtstag deiner Mutter. Gib deinem Vater nicht die Macht, dich aufzuregen.« Sie schloss die Tür hinter sich.
    Ihr Dad drehte sich um und stach mit dem Zeigefinger nach ihr. »Glaubst du, du kannst dir alles rausnehmen, nur weil du in einem Büro sitzt und studiert hast?«
    Fran lachte auf. »Ist das alles? Immer derselbe Spruch? Hast du nichts Neues auf Lager?«
    »Und ob! Du musst ja immer mit allen Mitteln zeigen, dass du besser bist als dein Vater, nicht wahr? Die Zeitungen sind voll von deinen seltsamen Theorien und abstrusen Gedanken, die jedem vernünftigen Polizisten die Zornesröte ins Gesicht treiben.«
    Fran schüttelte den Kopf. »Abstrus? Du urteilst wie immer über etwas, das du nicht verstehst.« Noch schaffte sie es, ruhig zu bleiben. »Ach ja: Ich habe seit einem Jahr nicht mehr veröffentlicht.«
    »Du lügst!«
    Wie ein Blitz schoss ihr Dad an Fran vorbei, polterte die Treppe hoch, sie hörte Schritte in seinem Arbeitszimmer, das über der Küche lag; er sprang die Treppe wieder hinunter, seine Schritte polterten, schon schloss er wieder die Küchentür und warf ihr eine Zeitung vor die Füße.
    »Und was ist das da?«
    Fran schaute auf die Schlagzeile.
    »Schiri wollte nicht mehr«, stand da in großen weißen Lettern.
    »Was habe ich mit dieser Mistzeitung zu tun? Und mit irgendeinem Schiedsrichter, der seinen Job nicht mehr aushält?«
    »Seite drei!«, bellte Dad und zeigte mit dem Finger auf die Zeitung.
    Fran verschränkte die Arme über der Brust. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich die Zeitung aufhebe?« Der Siedepunkt ihrer Wut

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