Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
ihr euch unterdrücken lasst, werdet ihr auch unterdrückt.« Sie holte tief Luft. »Dieser Mistkerl hat mir fast den Arm gebrochen, und ich habe ihm dafür eine anständige Ohrfeige verpasst. Wir sind quitt.« Frans Zorn erkaltete, als sie ihre Schwester vor sich stehen sah wie ein Häufchen Elend. Sie hatte ihr nichts getan, sie war nicht schuld daran, dass ihr Erzeuger ein Arschloch war. »Schwesterherz, jetzt mach nicht ein Gesicht, als würde die Welt untergehen. Du weißt, ich liebe dich, und du bist bei mir immer willkommen, aber ich muss jetzt weg, sonst drehe ich noch komplett durch.«
Anne nickte schwach, drehte sich um und ging wieder ins Haus.
Fran fuhr los und nahm sich vor, am Wochenende einen Sprung zu wagen, den sie bisher noch nicht gewagt hatte. Während der Fahrt ging ihr immer wieder durch den Kopf, wie sie Dad geohrfeigt hatte, wie sie ihm mit einem Jiu-Jitsu-Griff das Handgelenk verdreht hatte. Mit jeder Wiederholung fühlte es sich besser an.
*
Da hängt wohl der Haussegen schief. Franziska schießt aus dem Haus wie ein gehetzter Tiger auf der Flucht. Sie sieht aus, als sei sie echt angepisst, Wut und Zorn sprühen aus ihren Augen, was für eine Frau! Wie das Meer. Bei Windstille lieblich und ruhig, wenn aber Sturm aufkommt tödlich und unberechenbar. Ganz nach meinem Geschmack.
Kristin ist das genaue Gegenteil. Sie ist, wenn ich es genau betrachte, stinklangweilig und eiskalt. Haben wir uns jemals gestritten? Ja, einmal. Als es um die Vorhänge ging. Aber sie war nicht wütend geworden oder laut. Kristin hatte wie ein trotziges Kind reagiert. Hatte mit den Füßen auf den Boden gestampft und war dann in Tränen ausgebrochen.
Franziska hätte mir den Marsch geblasen, vielleicht hätte sie mir auch eine verpasst, eine verlockende Vorstellung.
Da kommt noch jemand aus dem Haus. Oh, là, là! Was für eine Schönheit. Ich sehe genau hin. Sind die beiden Geschwister? Die Augenpartie ist ähnlich, und die Lippen haben denselben sinnlichen Schwung. Eine Erinnerung rührt sich. Irgendwoher kenne ich diese Frau, die ich Engel nennen muss, bis ich ihren wahren Namen kenne. Engel steht in der Tür. Sie reden miteinander. Okay, sie sind Schwestern. Engel wohnt auf jeden Fall nicht hier in der Nähe, das hoffe ich zumindest. Ich werde es herausfinden. Noch heute Nacht.
Frans Schwester. Der Engel. Ich. Der Teufel. Fran. Die Erlöserin. Mir kommt eine Idee. Ich werde meinen Plan modifizieren. Wir drei werden noch eine Menge Spaß miteinander haben. Das ist sicher. Fran wird sich freiwillig bei mir einfinden. Ich werde ihr eine Nachricht zukommen lassen.
7. Donnerstag
Fran wusste, dass sie träumte. Ein riesiges Messer schwebte über ihr, langsam senkte es sich. Sie konnte sich nicht bewegen. Sie konnte nicht schreien. Sie hatte keine Angst. Das Messer zerschmolz zu heißem Metall, Tropfen versengten ihre Haut, es brutzelte. Sie blickte an sich hinunter. Ihre Beine waren von dem geschmolzenen Metall vollständig verbrannt worden. Nur Asche war geblieben. Ihr Vater tauchte auf, sein Kopf war winzig, aber sein Zeigefinger riesengroß. Er öffnete seinen Mund, der kilometerweit weg schien, aber seine Stimme dröhnte wie ein startender Jet. Sie versuchte zu verstehen, was er sagte, vergeblich.
Sie öffnete die Augen, schaute auf den Wecker, der ihr mit giftigen grünen Zahlen die Zeit entgegenschrie. Sie stöhnte. Kurz vor fünf. Es war noch dunkel, durch die Fenster sickerte das Licht der Straßenlaternen, von ihrem Bett aus konnte sie die hastenden Scheinwerfer auf der Fleher Brücke sehen, die den Rhein überspannte. In einer Stunde erst würde die Sonne aufgehen. Sie widerstand dem Impuls aufzuspringen, wickelte sich in ihre Decke ein und dachte über den Traum nach.
Er war einfach zu deuten: Ihr schlechtes Gewissen wollte sie dazu bringen, sich bei Dad zu entschuldigen. Die kleine Fran hatte Angst, sich dem großen James zu widersetzen. So war es früher immer gewesen, aber diesmal hatte sie sich gewehrt, das erste Mal in ihrem Leben. Ihre Hand tat immer noch weh, genauso wie ihr Arm, es würde einen blauen Fleck geben, da wo Dad sie festgehalten hatte. Eigentlich war er viel zu gut weggekommen. Was sie maßlos ärgerte, war, dass sie die Zeitung tatsächlich aufgehoben hatte, dass er immer noch Macht über sie hatte. Aber das war nicht sein Problem, sondern ihr eigenes, und sie hatte nicht die Absicht, sich noch mal in eine solche Falle zu begeben. Mutter hin oder her, sie würde sich von Dad
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