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Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Conrath
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erbärmlich.
    Meine Familie ist genauso. Kristin kauft Dinge einfach nur, um sie zu besitzen. Aber was macht das für einen Sinn? Sie stellt sie irgendwo hin, schaut sie an und freut sich darüber. Mir soll es recht sein, solange sie macht, was ich will, und mir nicht hinterherschnüffelt. Meine Töchter sind nicht besser, als Vater habe ich versagt. Aber auch sie lasse ich nicht aus den Augen, sie können mir nicht schaden, sie können mir nicht entkommen, ich habe sie unter Kontrolle.
    Seit zwei Stunden liege ich auf der Lauer. Franziska ist bei ihren Eltern, ihr Fahrrad steht vor der Tür.
    Ob sie auch ein Teil des Mobs ist? Ich muss mir unbedingt ihre Wohnung ansehen und irgendetwas mitnehmen. Keine Reizwäsche, das machen nur Perverse. Nein, etwas, das ihre Seele beschreibt, ihren Charakter. Ein Schmuckstück zum Beispiel. Die Wahl des Metalls, der Form und der Steine sagt viel über einen Menschen aus.
    Franziskas Eltern wohnen schon seit Ewigkeiten im Viertel. James, ihr Vater, ist Mitglied im Schützenverein und im Fußballverein und aktiv in der katholischen Gemeinde. Er ist ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft, denn er ist Polizist. Es hat genau zwei Minuten gedauert, bis ich das alles wusste. Das Internet vergisst nichts, verheimlicht nichts, und die meisten Menschen haben keine Ahnung, was über sie in den unendlichen Weiten des digitalen Universums gespeichert ist. Deswegen weiß ich auch, dass Franziskas Mama heute Geburtstag hat. Papa Miller ist ein eitler Pfau, der auf den Webseiten desSchützenvereins seinen und den Lebenslauf seiner Frau ausgebreitet hat, als wolle er sie zum Paar des Jahrhunderts erklären. Ich muss jetzt noch lachen, wenn ich an die gestelzten Zeilen denke.
    Auch über Franziska habe ich einiges gefunden. Sowohl auf der Seite des Landeskriminalamtes als auch in den Archiven der Tageszeitungen. Sie hat einmal ein Interview gegeben, hat versucht zu erklären, was sie macht und wie sie es macht. Hat versucht zu erklären, wie Serienmörder ticken. Sie kennt sich aus: Letztlich ist jeder Killer anders. Und sie hat über Satan geredet und bewiesen, dass sie vom Fach ist. Eigentlich wollte ich sie ja zu mir einladen, aber das geht nicht, denn ein eiserner Grundsatz lautet: Aus meinem Viertel kann ich niemanden zu mir einladen, die Gefahr, dass jemand mit mir in Verbindung gebracht wird, ist zu groß.
    Verzweiflung macht sich in mir breit. Es geht nicht anders! Sie muss zu mir kommen, sie muss! Ich muss sie haben. Nein. Verdammt, sei still! Ich knirsche mit den Zähnen. Manchmal ist das Leben so unendlich beschissen! Ich kneife mir in den Handrücken. Fluchen ist nicht gut für mich. Derbe Sprache ist nicht gut für mich. Geduld, nur Geduld. Bis jetzt habe ich immer bekommen, was ich wollte.
    *
    Fran lag noch der Frankfurter Kranz im Magen, aber trotzdem nahm sie reichlich Klöße, Rotkraut und Hirschbraten. Das gehörte sich so, und sie hatte keine Lust, sich die ewig gleiche Litanei anzuhören: »Kind, du musst mehr essen! Wie dünn du bist!« Außerdem hatte Anne sich wirklich ins Zeug gelegt und ein köstliches Essen gezaubert. Fran kochte nur, wenn sie musste. Ihr Traummann musste also nicht nur backen, sondern auch kochen können, es sei denn, er konnte mit denselben kargen Mahlzeiten auskommen wie Fran.
    »Es schmeckt wirklich ausgezeichnet, Schwesterherz.« Fran schob sich einen viertel Kloß in den Mund, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.
    Mama lächelte. »Du bist wirklich ein Schatz, Anne.«
    Nur Dad hielt es wie immer nicht für nötig, sich zu bedanken. Fran musste das Thema wechseln. »Was machen die Proben, Anne? Ihr inszeniert ein neues Stück, richtig?« Fran erinnerte sich dunkel daran, dass Mutter so etwas erwähnt hatte, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, aber das war fast einen Monat her. Sie sahen sich selten, obwohl sie fast Tür an Tür lebten.
    »Die Premiere ist in zwei Wochen«, sagte Anne, und sie strahlte über das ganze Gesicht. »Ich singe die Mimì.«
    Fran drückte ihrer Schwester die Hand. »Gratuliere.« Sie grinste. »Die Rolle passt ja auch ganz gut zu dir.«
    Anne zog an Frans Ohr. »Puh! Der bloße Neid.«
    Beide lachten, steckten ihre Gabeln in den Braten und schnitten sich ein Stück ab. Als hätten sie es wochenlang geübt, steckten sie sich das Fleisch gleichzeitig in den Mund.
    Dad klackte seine Gabel auf den Teller, so laut, dass alle es hören mussten. Er schaute seine Töchter abwechselnd an. Auftritt des Patriarchen. Diese

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