Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
fernhalten, das war im Moment die beste Lösung. Sie würde Mama besuchen, wenn er nicht da war, so wie sie es schon oft ohne sein Wissen getan hatte. Denn eins war ihr klar: Sollte er sie je wieder so angreifen, würde sie es nicht bei einer Ohrfeige bewenden lassen.
Sie sprang aus dem Bett, machte eine halbe Stunde Gymnastik, eine halbe Stunde Schattenboxen, dann stellte sie sich unter die Dusche, überlegte, was sie heute anziehen sollte, und entschied sich für ihre neuen sündhaft teuren Jeans, die jeden Cent wert waren, weil sie passten wie angegossen und sie sich darin bewegen konnte wie in einer Trainingshose. Dazu ihre blauen Lieblingsturnschuhe, ein weißes Sweatshirt und die leichte schwarze Lederjacke.
Das Training hatte ihren Appetit angeregt, sie verdrückte eine ganze Schale Müsli, mindestens siebenhundert Kilokalorien, und trank zwei Tassen Gunpowder.
Inzwischen war es hell geworden, der Tag versprach, sonnig zu werden. Fran gewann das Rennen gegen die 712, grüßte den Portier des Landeskriminalamtes, der in der letzten Zeit Ringe unter den Augen bekommen hatte, betrat ihre Abteilung um Punkt sieben Uhr, und noch bevor sie sich über das Licht in den Büros wundern konnte, kam schon der Chef an, winkte sie in ihr Büro und hielt ihr das Bild aus der Zeitung unter die Nase.
Fran rechnete mit der angedrohten Strafpredigt für ihren Erpressungsversuch, aber Fellmis machte ein freundliches Gesicht.
»Na, was sagen Sie?«, fragte sie fröhlich und wartete keine Antwort ab. »Das ist doch beste PR . Wir haben schon lange nichts mehr in der Presse gehabt. Und wenn Sie dem Kollegen Haller, der als Gast aus der Festung zurzeit hier logiert, den richtigen Tipp gegeben haben, um die Fieslinge zu greifen, die diese Sauerei angerichtet haben«, sie musste Luft holen, um den Endlossatz zu Ende bringen zu können, »dann spiele ich mit dem Gedanken, Sie öffentlich zu loben. War gar nicht einfach mit dem Artikel. Die wollten eigentlich eine Pressemitteilung aus der Festung veröffentlichen.«
Fran glaubte, sich verhört zu haben.
»Na ja, Ihr Freund, der Benjamin Haller vom KK 11, der hat doch den Fotografen recht unsanft vom Tatort entfernt. Ich musste meine Überredungskünste einsetzen.«
Fellmis bleckte die Zähne. Es sollte wohl ein Lächeln sein, aber Fran erinnerte es eher an eine Bulldogge kurz vor dem Zubeißen.
»Kriege ich jetzt mehr Geld?«, fragte Fran.
»Das kann ja wohl nicht wahr sein!« Fellmis schlug mit der Hand auf den Tisch. »Nicht einmal ein klitzekleines Dankeschön?«
»Danke schön«, nuschelte Fran. »Was ist, kriege ich jetzt mehr Geld oder nicht? Schließlich bin ich ja sozusagen Werbung gelaufen.«
Fellmis senkte den Kopf wie ein Stier, der jeden Moment zum tödlichen Stoß ausholen wollte. »Liebe Frau Miller. Sie können froh sein, wenn Ihr Etat nach Ihrem erfolglosen Erpressungsversuch nicht zusammengestrichen wird. Wenn Sie so etwas machen, kann ich Sie nicht mehr schützen!«
»Schützen?« Das Wort sprang ein paar Mal in Frans Kopf hin und her. Das war der Witz des Jahres, aber Fellmis hatte es ernst gemeint und redete weiter.
»Wissen Sie, was ich seit Monaten mache? Ich bearbeite den Staatssekretär im Innenministerium, Mario Hartbäcker, damit er uns keine Stellen streicht, wozu er aber richtig Lust hätte.« Sie legte die Hände zusammen und massierte sich mit den Daumen die Unterlippe. »Bis jetzt hat unsere Abteilung noch keinen einzigen Täter gefasst.«
Fran wollte protestieren, wollte sagen, dass das so gar nicht stimmte, dass sie dazu ja auch gar nicht da waren, das mussten ja schließlich die Kollegen von der Kripo machen, aber Fellmis erstickte ihren Widerstand mit einer Handbewegung im Keim.
»Und glauben Sie mir, der Mann verhandelt genauso, wie er heißt.«
Fran biss sich auf die Zunge. Sie konnte es nicht mehr hören, aber sie konnte auch nichts daran ändern.
Fellmis hob die Augenbrauen. »Alles klar?«
»Alles klar«, sagte Fran und hoffte, dass Fellmis ihr zweifelnder Ton nicht entging.
»Wunderbar. Um neun alle Mann zur Konferenz, bitte weitersagen. Ich bin allerdings nicht da.«
Natürlich. Der Chef war nie da, wenn Konferenz angesagt war, wenn es darum ging, produktive Arbeit zu leisten.
»Bevor ich es vergesse, Frau Miller. Wenn Sie gegen meine ausdrückliche Dienstanordnung verstoßen und bei der Düsseldorfer Real-Investment Bank ermitteln und sonst irgendwem, der mit Friedrich von Solderwein zu tun hat, Fragen stellen, dann kriegen
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