Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
Kennung des Bootes lautet D 3586. Daran ist nichts Ungewöhnliches. Aber das hier …« Er ließ die Worte in der Luft hängen und hob wieder die Kamera.
Fran warf einen Blick auf das Bild und verstand. Unter der Kennung stand ein Name: Lilith . Und eine Zahl: 666 .
*
Wenn der Hohepriester rief, gab es keine Wahl. Auch wenn es mitten am Tag war, mussten alle erscheinen. Den Termin für abends hatte Lars absagen müssen, weil er bei einem Kontrollgang festgestellt hatte, dass eine Sicherheitsfirma den Südfriedhof jetzt nachts hermetisch abriegelte. Eine Reaktion auf ihre Messe auf dem Nordfriedhof, da war sich Lars sicher.
Er hatte seinen Umhang angelegt und saß in Loki-Marvins Zimmer auf einem Kissen aus schwarzer Seide. Sein Thron. Niemand sonst durfte sich darauf niederlassen.
»Wie lautet unsere elfte Richtlinie?« Lars ließ seinen Blick über die Mitglieder der Church of XXXL gleiten.
Lilith-Jana, Supay-Kim und Loki-Marvin saßen ihm gegenüber im Schneidersitz, die Hände im Schoß. Zeige-, Mittel-, und Ringfinger waren jeweils gekreuzt, die beiden kleinen Finger und die Daumen berührten sich, sodass das Symbol für die Unendlichkeit entstand.
Das war das Zeichen ihrer Kirche und ihr Credo: » XXX « als Zeichen für die Unendlichkeit, für ewige Herrschaft, das »L« für Luzifer.
Lars hatte ihnen eine Stunde aus der satanischen Bibel vorgetragen, seiner satanischen Bibel, die er aus den verschiedenen Lehren über Satan zusammengestellt hatte, die alle für sich genommen irrten. Erst er, Amothep der Große, hatte erkannt, welcher Zusammenhang zwischen den einzelnen Schriften bestand, und vor allem hatte er herausgefunden, wann und unter welchen Bedingungen Satan bereit war, wieder die Herrschaft über diese armselige Welt zu übernehmen. Die Henochischen Schlüssel – und die mathematische Zahlenmagie, die in ihnen steckte. Dass vor ihm noch niemand darauf gekommen war!
Marvin hob den Kopf, als Zeichen, dass er sprechen wollte.
Lars nickte ihm zu.
»Wenn du auf offenem Grund unterwegs bist, belästige niemanden. Wenn dich jemand belästigt, bitte ihn, damit aufzuhören. Wenn er nicht aufhört, vernichte ihn.«
»Sehr gut, Loki!« Lars freute sich über Loki-Marvin, der voller Eifer alles in sich aufsog, nie an den Worten seines Hohepriesters zweifelte und alles tat, was er ihm auftrug.
Loki-Marvin hatte es nicht leicht, sein Vater war Lkw-Fahrer, ständig unterwegs, seine Mutter schon lange tot. Der Junge hatte die Hauptschule geschmissen, weil er sich ständig mit jemandem angelegt hatte, und suchte verzweifelt nach einer Lehrstelle. Aber ohne Schulabschluss konnte er das vergessen.Und geprügelt hatte er sich, um von seinem eigentlichen Problem abzulenken: Er war strohdumm. Sein Verstand scheiterte schon an so simplen Aufgaben wie der Berechnung einer linearen Funktion.
Als Lars ihn kennengelernt hatte, war der arme Kerl drauf und dran gewesen, sich in den Rhein zu stürzen. Aber Lars konnte ihn davon abbringen, als er ihm erklärte, dass diese Welt bald in einen lebenswerten Ort für alle Menschen verwandelt würde und dass er, Loki-Marvin, auserkoren war, daran mitzuwirken. Seitdem war Loki-Marvin wie ausgewechselt, und Lars wusste natürlich, warum. Er hatte das erste Mal in seinem Leben das Gefühl, gebraucht zu werden, eine Aufgabe zu haben. Und er hatte begriffen, dass Luzifer der wahre Heilsbringer war und sie alles tun mussten, um ihm den Weg zu ebnen, was immer es auch sei.
Lilith-Jana war aus einem anderen Grund treue Anhängerin der Church of XXXL . Sie hatte angefangen, Jura zu studieren, weil sie das System verachtete. Als Borderlinerin pendelte sie ständig zwischen aufgedrehtem Aktionismus und einem Zustand von Halluzinationen hin und her. Sie hatte bereits sechs Therapeuten verschlissen. Als Lars ihr erklärt hatte, dass nicht sie krank war, sondern diese Welt, dass ihre Halluzinationen kein Wahnsinn, sondern Bilder aus einer anderen, realen Welt waren, da war sie in Tränen ausgebrochen und hatte vier Stunden ohne Unterlass geweint. Lars hatte bei ihr gesessen, ihre Hand gehalten und geschwiegen.
Bei Supay-Kim war sich Lars nicht sicher. Sie war im zweiten Lehrjahr als Schreinerin und im besten Sinne bodenständig. Obwohl sie alles mitmachte, mit großer Begeisterung und Ernsthaftigkeit, wurde Lars das Gefühl nicht los, dass für sie die Church of XXXL nur ein Spielplatz war.
Und O Yama-Johanna, die den japanischen Namen für Teufel angenommen hatte, stand noch
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