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Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Conrath
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kleiner Junge.
    Lars schmunzelte.
    Sie saßen am Küchentisch bei Marvin zu Hause, jeder eine Tasse Kaffee vor sich.
    »Weil es noch zu früh ist«, sagte Lars. »Außerdem haben wir heute etwas anderes vor.«
    Natürlich war der Samstag, der im Zeichen des Saturns stand, bestens geeignet für Todes- und Vernichtungszauber jeder Art. Aber Lars hatte für heute festgelegt, dass Marvin endlich in die hohen Weihen der körperlichen Liebe eingeführt wurde. Johanna hatte ihm eine SMS geschickt und ihn gebeten, sie um zwanzig Uhr am Bahnhof abzuholen. Heute Nacht würde sich Marvin das erste Mal in seinem Leben mit einer Frau vereinigen. Und Johanna das erste Mal mit einem Mann. Eine doppelte Entjungferung! Ein großes Ereignis. Er würde Marvin aber erst später einweihen, kurz bevor es so weit war, dann war die Überraschung umso größer.
    »Wir werden die Schule und die Selm-Böden am Dienstag erledigen, dann herrscht Kriegsgott Mars, und es kann nichts schiefgehen, was meinst du?«
    Loki-Marvin war nicht wirklich überzeugt, das konnte Lars ihm ansehen, aber er stimmte zu, wenn auch missmutig. Was war nur mit ihm los? Er brannte förmlich darauf, den Vernichtungszauber zu vollziehen. Lars’ Wut war bereits erheblich abgekühlt, denn er hatte nicht nur für seine Probleme eine angenehme Lösung gefunden, sondern dadurch, dass sie ihn von der Schule geworfen hatten, hatten sich ganz neue Möglichkeiten für ihn aufgetan. So hatte letztlich alles, was geschah, einen tieferen Sinn, der sich nicht immer sofort offenbarte.
    »Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte Lars.
    Loki-Marvin schien fast zu erschrecken. »Ja, aber sicher, was meinst du damit?«
    »Du wirkst sehr angespannt.«
    Loki-Marvin ließ seine Arme baumeln und lächelte so falsch wie ein Zollbeamter. »Alles in Ordnung, wirklich.«
    Lars war nicht überzeugt. Er würde Marvin morgen nach der Zeremonie noch mal intensiv befragen.
    Jetzt musste er nach Hause zu seiner Mutter, es ging ihr nicht gut, den ganzen Tag lang hatte sie nichts gegessen. Er hatte beschlossen, ihr zu erzählen, dass er Vater würde, er konnte nichtmehr warten, und es war egal, ob das Kind ein paar Wochen später kam, als der Kalender es verlangte. Frühestens in drei Wochen würde er wissen, ob er Jana geschwängert hatte oder nicht.
    »Also um neun heute Abend, Loki? Alles klar?«
    Loki-Marvin nickte, aber es war kein wirklich zustimmendes Nicken, sondern ein Nicken, das eher das Gegenteil ausdrückte.
    Lars verließ die Wohnung mit einem unguten Gefühl. Er trat auf die Straße hinaus, lächerlich kostümierte Gothics liefen an ihm vorbei. Er nahm die Straßenbahn zum Bilker Bahnhof. Der Wagen war voll von kreischenden Kindern, kichernden Teenies und trübe dreinblickenden Menschen, die keine Ahnung davon hatten, dass ihr Messias mit ihnen in dieser Bahn unterwegs war. Er stieg aus, dachte einen Moment, dass der Fahrer, der in dem modernen Triebwagen in einer abgeschlossenen Kabine saß, ihn beobachtete, aber als Lars sich zu ihm hindrehte, schaute er in den Rückspiegel. Lars ermahnte sich, nicht durchzudrehen, überquerte die Straße, schloss die Haustür auf, ärgerte sich über die herumliegenden Werbeprospekte und die Fahrräder, die den Flur versperrten. Er gab den Drahteseln einen Tritt, sie fielen auf die Seite, er ging einfach über sie drüber, Plastik zerbarst, aber das war ihm egal. Menschen lernten nur durch Schmerz oder Verlust.
    Er schloss die Wohnungstür hinter sich und atmete auf. Hier war alles sauber, alles in bester Ordnung. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass Mutter wahrscheinlich schlief.
    Leise drückte er die Tür zu ihrem Zimmer auf und hörte die unruhigen Atemzüge. Immer wieder hörte sie auf zu atmen, manchmal unerträglich lange, aber dann zog sie wieder mit Stöhnen und Röcheln Luft in ihre Lungen. Ihr Gesicht war von einem leichten Schweißfilm überzogen, ihre Nase schien heuteseltsam spitz. Das Essen, das er ihr hingestellt hatte, war unberührt. Seine Kehle verengte sich, hoffentlich kam er mit seiner frohen Botschaft nicht zu spät. Sollte er sie wecken? Nein, sie brauchte ihren Schlaf.
    Er ging in die Küche, schaltete den Wasserkocher ein, nahm eine Teetasse, hängte einen Beutel Darjeeling hinein und warf einen dicken Klumpen Kandiszucker hinterher. Das Wasser kochte, er übergoss Beutel und Zucker und genoss den Geruch, der ihm in die Nase stieg.
    Mit der Tasse in der Hand ging er in sein winziges Zimmer, in dem gerade genug Platz war für

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