Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)
wiederaufgenommen.«
»Noch mehr Macht? Die Welt zur Umkehr bewegen? Womit?« Frans Herz klopfte. Sie durfte ihm keine Suggestivfragen stellen, sonst war alles umsonst.
»Er hat nie wirklich daran geglaubt, das müssen Sie wissen.«
»Woran?«, fragte Senior und kam Fran damit zuvor.
»An Satan, Luzifer, Beelzebub. Deswegen sind Sie doch hier? Er hat schwarze Messen gefeiert. Mindestens einmal im Jahr ging es hoch her. Er hat alle Texte gelesen, hat sogar einen Pionier der satanischen Szene kennengelernt: Howard Stanton Levey. Das war in den Sechzigern. Bei einem Studienaufenthalt in den Staaten.«
Fran kannte diesen Namen, die meisten anderen kannten nur seinen Künstlernamen: Anton Szandor LaVey, Begründer der bis heute existierenden und in den USA als Kirche anerkannten Church of Satan. Verfasser der Satanischen Bibel, sozusagen das Standardwerk der satanischen Szene. Alle Achtung. Friedrich von Solderwein war zu beneiden. Mit LaVey hätte sich Fran gerne mal unterhalten, aber er war 1997 gestorben. Es erklärte, warum Friedrich von Solderwein vom Satanismus infiziert worden war: LaVey war ein charismatischer Mensch gewesen, dessen Ziel es immer gewesen war, Satanismus aus seinen mittelalterlichen Denk-Sackgassen herauszuführen in die moderne Welt. Und er war ein Lebemann gewesen. Aber kein Verbrecher.
»Und Sie waren Friedrichs Adept?«, fragte Fran.
»Ja.«
Sein Blick verschleierte sich erneut. Er war wieder auf dem Weg in die Lüge, in Schutzbehauptungen. Friedrich von Solderwein hatte nicht nur ein dunkles Geheimnis, das stand fest. Sie musste Ägidius Bonaventura bei der Stange halten. »Das ist nichts Unrechtes. In diesem Land herrscht Religionsfreiheit.«
Ägidius Bonaventura warf Fran einen spöttischen Blick zu. »Wenn Sie es sagen.«
»Haben Sie denn Recht und Gesetz verletzt? Oder Friedrich? Außer Mord ist alles verjährt.«
»Wirklich alles?«
»Es kommt natürlich darauf an, wann Sie etwas getan haben und was es ist«, erklärte Senior. »Aber Sie haben natürlich die Möglichkeit, uns etwas zu erzählen, das Sie von einem Freund gehört haben, ein Gerücht sozusagen, eine Geschichte.«
Ägidius Bonaventura nahm sich noch einen Keks. »Ja«, sagte er gedehnt. »Geschichten sind immer gut. Aber es gibt Geschichten, die können nicht erzählt werden. Sie dürfen nicht erzählt werden.«
Fran spürte, wie er ihnen entglitt. Hatten sie bei ihren satanischen Ritualen über die Stränge geschlagen? Gemordet? Vergewaltigt? War die Messe auf seinem Grab gefeiert worden, um Friedrich von Solderwein zu verfluchen?
»Hat Friedrich ein Tagebuch hinterlassen? Unterlagen? Irgendetwas?«
»Alles verbrannt! Ungelesen! Das geht niemanden etwas an!« Ägidius Bonaventura versteifte sich.
Für Fran war klar, dass er log, und es war ihr genauso klar, dass sie nichts von dem, das Ägidius Bonaventura in seinem Besitz hatte, bekommen würde. Es gab noch einen Hebel, den Fran versuchen wollte. »Wie ist Friedrich gestorben?«
Tränen schossen aus Bonaventuras Augen. Treffer! Dieser Mann liebte Friedrich von Solderwein über den Tod hinaus abgöttisch. War das erstrebenswert? Fran überlief es kalt. Nein, nicht für sie. Sie konnte sich vorstellen, jemanden zu lieben und um ihn zu trauern, wenn er starb. Aber den Rest des Lebens wegwerfen, alles, was ihr selber wichtig war, missachten, nur weil dieser eine Mensch tot war? Nein!
Ägidius Bonaventura hatte sich wieder gefasst. »Wie alle Toten strahlte sein Gesicht Ruhe und Frieden aus, aber ich wusste es besser. Er hat sein Leben lang gekämpft, mit sich, mit seinen Dämonen, von denen ich nur einige wenige kannte.«
»Also hat er sich das Leben genommen?«, fragte Fran leise.
»Sein Hausarzt, ein guter Freund, rief mich an. Er fand ihn, als er wie gewöhnlich nach ihm schauen wollte. Morgens noch war ich bei Friedrich gewesen, er war guter Dinge gewesen.Anton …« Ägidius Bonaventura blickte Fran kurz in die Augen, als wolle er sagen, dass er schon mehr preisgegeben hatte, als er eigentlich wollte. Er straffte die Schultern. »Anton Mocher ist unser Hausarzt. Er klingelte, und als niemand öffnete, stellte er fest, dass die Tür offen war. Friedrich lag in der Badewanne, das Wasser so rot wie schwerer Wein.«
Der Hausarzt. Wie hatte Fran das übersehen können! Hausärzte kannten die Menschen oft besser als sie sich selbst. Sie wussten, ob die Ehe kaputt war oder ob die Kinder Probleme machten.
»Er hat sich die Pulsadern geöffnet?«, fragte
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