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Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schmerzsammler: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Conrath
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hatte ich einen heißen Kopf. Und es ist immer schlimmer geworden. Ich kann kaum noch klar denken, schlucken kann ich nur unter Schmerzen. Mein Körper zeigt mir die Rote Karte. Das Fieberthermometer zeigt neununddreißig Grad. Ich schleppe mich zum Arzt, der schaut mir einmal in die Augen, dann in den Hals.
    »Sie haben eine eitrige Angina. Sie sollten sich die Mandeln rausnehmen lassen.«
    Er schaut mich an, als wäre ich ein Depp. Ich schüttele nur den Kopf. Ich gehe nicht ins Krankenhaus. Niemand schnipselt an mir herum, und Vollnarkose kommt nicht infrage.
    Der Arzt verschreibt mir Penicillin und stellt mir einen gelben Schein für zwei Wochen aus. Wenn es nicht besser wird, soll ich wiederkommen. Er ermahnt mich mit erhobenem Zeigefinger: »Eine verschleppte Angina kann tödlich sein.«
    Wenn er wüsste, wie egal mir der Tod ist, wenn er wüsste, dass ich mit dem Tod spiele, wie es mir beliebt, mit meinem und dem anderer. Soll ich ihn zu mir einladen? Sein Gesicht würde ich gerne sehen, wenn er auf dem Thron aufwacht, wenn ich ihm den erhobenen Zeigefinger entgegenstrecke und ihn maßregele, ihm sage, dass der Kontakt mit mir tödlich ist. Ein verlockender Gedanke. Aber ich muss mich ausruhen. Ichwerde die zwei Wochen stillhalten, vielleicht auch ein wenig länger, ein netter Spielzug, das wird Fran verwirren, das wird sie erst mal auf die falsche Fährte bringen. Und dann werde ich ihr ein weiteres Liebesbriefchen zukommen lassen, mit der Lösung des Rätsels, das sie umtreibt. Und dann kommt sie zu mir.
    Ich wanke nach Hause, fühle mich wie besoffen, mache mir einen heißen Tee mit Honig, fühle mich wie damals, bevor meine Mutter starb. Schade, dass meine Frau und meine Töchter nicht da sind. Sie könnten mir Wadenwickel machen und mit mir Rommé spielen. Aber wahrscheinlich würden sie mich nur nerven, mir in den Ohren liegen, dass sie wegwollen aus Düsseldorf, aber ich habe bestimmt, dass sie hierbleiben, und daran gibt es nichts zu rütteln.
    Ich lege mich auf die Couch, stelle den Fernseher an, zappe durch die Programme, bin fasziniert, welchen Müll sich die Menschen in die Köpfe stopfen.
    Ah, hier gibt es eine gute Sendung. Wissen. Wie funktionieren Maschinen. Die Sendung ist gut gemacht, sie erklärt komplexe Vorgänge einfach. Sie interviewen einen Ingenieur, es ist so einer, wie ich es mal war. Maschinenbau. Komplexe Universen aus Metall und Kunststoff, gefühllos, kontrollierbar. So muss es sein. Kontrollierbar. Sie zeigen eine Produktionslinie für Joghurt. Hunderte Parameter, wenn nur einer falsch eingestellt ist, fliegen die Becher durch die Gegend, oder die ganze Suppe spritzt bis an die gegenüberliegende Hallenwand. Eine echte Herausforderung. Diese Produktionslinie funktioniert einwandfrei. Alles greift wunderbar ineinander. Ein Wunderwerk.
    Ich habe Fließbänder für die Autoindustrie gebaut, eine Endmontage habe ich als leitender Ingenieur entworfen und realisiert. Aber auch das ist mir mit der Zeit langweilig geworden. Und die Menschen haben mich angeekelt, sie kamen mir zu nahe.
    Mir fallen die Augen zu, ich spüre, wie ich in einen Halbschlaf hinübergleite, wie sich die Pforte zu meiner Traumwelt öffnet. Auch in meinen Träumen überlasse ich nichts dem Zufall.
    Ich wähle einen meiner Lieblingsträume, schalte meine Gedanken aus, Stück für Stück. Das Licht wechselt, die Sonne steht tief, ich bin ein kleiner Junge, gerade fünf Jahre alt geworden, und auf dem Weg zum Kindergarten. Der Weg führt mich an einem großen dunklen Haus vorbei. In diesem Haus wohnt eine alte Frau, die zwei weiße Pudel besitzt.
    Gerade, als ich auf der Höhe der Haustür bin, öffnet sie die Tür und spricht mich an. Ob ich nicht Lust habe hineinzukommen, auf einen warmen Kakao und einen Keks. Ich schaue mir die Frau an. Ihr Gesicht ist übersät von Pockennarben, Muttermalen und Pickeln. Ihre Nase ist lang und spitz, ihre Augenbrauen buschig, ihr Haar struppig, ihre Augen tränen. Aber ich habe keine Angst vor ihr. Der Duft des Gebäcks fließt aus der Tür, ich kann einfach nicht widerstehen.
    Ich steige die vier Stufen hinauf, sie dreht sich zur Seite und zeigt auf den langen dunklen Flur, an dessen Ende ich die Tür zur Küche sehe. Licht strahlt durch den Gang. Ich weiß, dass dort die Küche ist, denn ich war schon öfter hier. Ich gehe vor, betrete die Küche, die weiß gekachelt ist. Auf dem dunklen Holztisch, der immer schief steht, weil zwei Beine zu kurz sind, entdecke ich die Kanne mit

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